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Auswirkungen eines Klimawandels auf Naturgefahrenprozesse

Objektschutzfunktion des Waldes - Schutzfunktion wird hier nicht erfüllt - daher aufwändige techische Maßnahmen erforderlich

Krisen und Probleme lassen sich wesentlich besser bewältigen, wenn man auf diese vorbereitet ist.

Auch wenn man derzeit noch zu wenig weiß, wie die Klimaänderung die für die Naturgefahren entscheidende Größe, den Extremniederschlag, beeinflusst, so scheint es trotzdem angebracht, sich über Szenarien bereits jetzt Gedanken zu machen.

Daher wurde vom BMLRT (Abteilung IV/5 Wildbach und Lawinenverbauung) im Rahmen des Alpine Space Projektes AdaptAlp (Adaptation to Climate Change in the Alpine Space) eine Studie (AdaptEvent) in Auftrag gegeben, welche die Gültigkeit von bestehenden Bemessungsverfahren und -größen unter veränderten Klimabedingungen beurteilen und Anpassungsstrategien an den Klimawandel aufzeigen soll. Die Analysen wurden für Hochwasserereignisse in Wildbächen, Muren, Rutschungen und Lawinen durchgeführt.

Wie bildet man Naturgefahrenprozesse unter geänderten Klimabedingungen ab?

Eine wesentliche Herausforderung bestand in der Entwicklung einer Methode, mit der komplexe Naturgefahrenprozesse und ihre (vermutlichen) Reaktionen auf veränderte klimatische Rahmenbedingungen möglichst objektiv nachvollzogen werden können. Der gewählte Lösungsansatz verfolgte das Ziel, die einzelnen Prozesse durch ihre Einflussgrößen und Wirkungsparameter darzustellen und diese hinsichtlich ihrer Bedeutung für die Auslösung und den Prozessablauf zu gewichten. Dabei wurden die Ausgangsdaten hinsichtlich

  • der Relevanz für den jeweiligen Prozess,
  • des Informationsgehaltes (Qualität und Unsicherheiten) und
  • des Einfluss eines allfälligen Klimawandels

bewertet. Ebenso wurden die Berechnungsmethoden (Modellansätze) hinsichtlich der erforderlichen Inputdaten und dem daraus resultierenden Potenzial zur Abschätzung des Einflusses des Klimawandels untersucht.

Die Basisfaktoren Klima (Temperatur, Niederschlag, Wind und Globalstrahlung), Flächenparameter (Orografie und Topografie, Geologie und Boden, Vegetation und Landnutzung) sowie Transportparameter wurden zunächst hinsichtlich verfügbarer Informationen und ihrer Rolle für einzelne Naturgefahrenprozesse allgemein beschrieben.

In einem weiteren Schritt bewerteten Experten die Faktoren. Das Ergebnis ist eine semiquantitative, durchschnittliche Bewertung der einzelnen Wirkungsgrößen auf Naturgefahrenprozesse (Tabelle 1), die im Einzelfall zu diskutieren ist.

Tabelle 1: Beispiel für Wirkungsgrößen und Parameter, die für den Prozess Mure bewertet wurden

Über die Verschneidung mit Klimainformationen lässt sich abschätzen, ob und wie stark die jeweiligen Naturgefahrenprozesse von Änderungen einzelner Parameter betroffen sein werden. Für den Prozess Mure (vgl. Tabelle 1) sind die Experten zum Beispiel der Meinung, dass die Änderung der Niederschlagsintensität (sehr unsichere Entwicklung) ganz wesentlich für den Prozessablauf von Bedeutung ist, während ein Anstieg der Temperatur keine nennenswerten Auswirkungen haben sollte.

Experten, die häufig raumrelevante Entscheidungen zu treffen bzw. Unterlagen für diesbezügliche Entscheidungen zu erstellen haben, wollen vor allem wissen, inwieweit Änderungen einzelner Parameter auf die Prozesse wirken und in aktuellen Plänen zu berücksichtigen sind.

Entsprechende Gefahrenabschätzungen werden im Bereich alpiner Naturgefahren auf Basis sogenannter Bemessungsereignisse (Abbildung 1) erstellt, die gewisse Ereignisszenarien (Frequenz) vorgeben. So wird etwa in der Gefahrenzonenplanung der Wildbach- und Lawinenverbauung gemäß Gefahrenzonenplan-Verordnung (BGBl. Nr. 436/1976) ein Ereignis mit einer Wiederkehrswahrscheinlichkeit von zirka 150 Jahren als Bemessungsereignis unterstellt.

Da es allerdings noch keine allgemein gültigen Richtlinien für die Erstellung und Bewertung solcher Ereignisszenarien gibt, wurden in AdaptEvent die derzeit vorhandenen Ansätze (Dokumentation, Monitoring, Prozessmodellierung) in ihrer Methodik beschrieben, Vor- und Nachteile dieser Ansätze aufgezeigt und mögliche Einsatzbereiche vorgeschlagen.

Abbildung 1: Schäden durch einen Murabgang in Haslau 2005 und rasch umgesetzte (zusätzliche) Schutzmaßnahmen. Eine über die allgemeine Ereignisanalyse (2005 – Gesamtregion Gasen/Haslau) hinausgehende Einzelanalyse des Murganges wurde nicht durchgeführt, das Ereignis 2005 wurde somit als „worst case“ bzw. neues Bemessungsereignis angenommen (Fotos BFW).

Allfällige Anpassungsmaßnahmen bedingen mitunter wesentliche Eingriffe in bestehende Rechte und sind häufig mit erheblichem zusätzlichem Aufwand (Kosten) verbunden. Darüber hinaus beinhalten sie aber auch gesellschaftspolitisches Konfliktpotenzial. Deshalb ist es für Entscheidungsträger wichtig zu wissen, in welchem Zeitraum welche Maßnahmen umzusetzen sind. Daher wurde der Umgang mit ähnlich gelagerten Problemen über nationale und fachliche Grenzen hinweg aufzeigt und der derzeitige Stand von Anpassungsstrategien (z.B. Deutsche Anpassungsstrategie an den Klimawandel) dargestellt.

Schlussfolgerungen

Die Auswirkungen eines allfälligen Klimawandels auf Naturgefahrenprozesse hängen entscheidend von der ereignisauslösenden Parameterkombination ab, die kleinräumig stark variieren kann.

Grundsätzlich ist zu klären, ob kausale Zusammenhänge zwischen dem sich ändernden Klima und der Prozessauslösung bzw. dem Prozessablauf bestehen. Während die qualitative Beantwortung dieser Frage mit dem heutigen Wissensstand schon durchaus möglich ist, ist die quantitative Bewertung der möglichen Auswirkungen jedoch schwierig.

Generelle Aussagen auf Basis nachvollziehbarer Gesetzmäßigkeiten (Plausibilität) können zwar für Planungsmaßnahmen grundsätzlich hilfreich sein. Sie müssen jedoch mit der lokalen Situation verglichen und gegebenenfalls adaptiert werden. Um konkrete Schritte einleiten zu können, müssen zunächst die regional unterschiedlichen Änderungen relevanter Klimaparameter und lokale, nach Naturgefahrenprozessen differenzierte Reaktionen der Systeme auf diese Änderungen transparent dargestellt werden. Erst dann ist die Frage zu beantworten, ob entsprechende Maßnahmen notwendig sind.

Derzeit ist es für die in dieser Arbeit analysierten Naturgefahrenprozesse jedoch noch nicht möglich, flächenrelevante Vorgaben mit raumrelevanter Wirkung festzulegen. Fehlende oder unvollständige Basisinformationen sowie mangelhafte Methoden verursachen schon jetzt zum Teil erhebliche Unsicherheiten bei der Abschätzung von Ist-Kenngrößen. Die Einbeziehung von künftigen ungewissen Entwicklungen maßgeblicher klimatischer Einflussgrößen würde diese Unsicherheiten noch weiter erhöhen.

Die nachstehend angeführten Vorsorgemaßnahmen wären aber auch bereits jetzt in Betracht zu ziehen:

  • Weitere Verbesserung der Abschätzungsqualität des aktuellen Ist-Zustands und bestehender Gefährdungen.
  • Ausarbeitung gegliederter, standardisierter Bewertungsverfahren (Richtlinien) für die Beurteilung möglicher, lokaler Auswirkungen der globalen Klimaänderungen.
  • Bestimmung und Anwendung geeigneter, transparenter und nachvollziehbarer Bewertungsansätze (Vorschläge) zur Ermittlung von Kenngrößen sowohl des Ist-Zustandes als auch vermuteter zukünftiger Verhältnisse durch lokale Experten im Zuge von Planaktualisierungen, Projektierungsarbeiten etc.
  • Entwicklung von Verfahren zur Regionalisierbarkeit dieser Erkenntnisse um eine Übertragung auf andere Gebiete zu ermöglichen und flächenhafte Aussagen treffen zu können (z.B. anhand Gebietskennwerten und Schwellwerten).
  • Weitere Thematisierung des akzeptierbaren Risikos.
  • Kontinuierliche Weiterführung der Wissensvertiefung zur Thematik Naturgefahren und Klimawandel und laufende Überprüfung der gewonnenen Erkenntnisse auf ihre Relevanz und Anwendbarkeit für Administration und Praxis.