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Arealbildung bei Buchenwald-Unterwuchsarten

Christoph Dobeš, Genetiker am BFW, erforschte, wie sich Krautpflanzen seit der letzten Eiszeit vor circa 15.000 Jahren entwickelt haben. Antworten auf die Fragen, wie sich dadurch Waldgesellschaften – wie etwa mit Buchen – entwickelt haben, werden dadurch ermöglicht.

Während der Eiszeiten prägten baumlose Tundren und Steppen das Landschaftsbild in Mitteleuropa. Laubwerfende Bäume waren auf kleine Refugialgebiete in Süd-, aber auch in Mittel- und Osteuropa beschränkt. Im Gegensatz zum relativ guten Wissensstand über die Phylogeografie – die geografische Verbreitung von genetisch definierten Abstammungslinien – der sommergrünen Baumarten ist, ungeachtet der zentralen Rolle der Wälder als beherrschende Ökosysteme Europas, heute nur wenig über die Phylogeografie krautiger Wald-Unterwuchsarten bekannt.

Ebenwaldhöhe, NÖ
Schwarze Nieswurz
(Helleborus niger)

Im Rahmen des FWF-Projekts HistoArt wurde die Arealentwicklung von sechs krautigen Arten untersucht, die eine starke Bindung an die häufigste Baumart Zentraleuropas, die Rotbuche (Fagus sylvatica), aufweisen: Aposeris foetida (Hainlattich), Cardamine trifolia (Kleeblättriges Schaumkraut), Euphorbia carniolica (Krainer Wolfsmilch), Festuca drymeia (Berg-Schwingel), Hacquetia epipactis (Schaftdolde), Helleborus niger (Schwarze Nieswurz).

Historische Ökologie und Gegenwart

Außerdem wird eine zentrale Frage der historischen Ökologie behandelt, nämlich ob die Buchenwald-Unterwuchsarten gemeinsam, als Pflanzengesellschaft, auf die klimatischen Veränderungen während und seit der letzten Eiszeit reagiert haben oder die Reaktion artspezifisch war. Diese Frage ist für Wälder noch weitgehend unverstanden. Ihre Klärung wird einen Hinweis darauf geben, ob die ökologischen Wechselbeziehungen zwischen den Waldarten die Ausbildung dauerhafter Waldgesellschaften fördern.

Basierend auf diesem Wissen soll außerdem geklärt werden, ob die Buchenwald-Unterwuchsarten sich nacheiszeitlich langsamer ausgebreitet haben als die Buche oder ihre ökologische Nische schmäler ist als jene der Buche. Sowohl das Ausbreitungspotential als auch die ökologischen Ansprüche können nämlich als Erklärung dafür herangezogen, dass die Mehrzahl der Buchenwald-Unterwuchsarten auf einen, zum Teil kleinen Bereich des Buchenareals begrenzt ist. Die zu erwartenden Ergebnisse des Projekts werden sowohl eine tiefgehende Synthese der Eiszeitrefugien sommergrüner Laubwälder erlauben, als auch einen wesentlichen Beitrag zum Verständnis der Rolle der Refugien in der Genese ihrer Biodiversität liefern.

Wissenschaft auf Tour

Die Arbeiten haben im Mai 2017 begonnen. Den Auftakt bildete das Auflesen der untersuchten Buchenwald-Begleitarten. Um die Arealentwicklung der sechs Arten im Detail zu verstehen, ist es notwendig, ihr gesamtes Areal mit hoher Dichte zu besammeln. In 20 Mittel- und südosteuropäischen Ländern wurden circa 500 Vorkommen beprobt und gleichzeitig dokumentiert. Den Fahrten war eine intensive Vorbereitungs- und Planungsphase vorausgegangen, um das Auffinden der Arten in dem circa eine halbe Million km2 messenden Untersuchungsgebiet zu erleichtern sowie einen möglichst reibungslosen Ablauf der Arbeiten zu gewährleisten.

Weiters wurden im Projekt erstmals die rechtlichen Bestimmungen aus dem Nagoya-Protokoll vollständig umgesetzt, das seit Herbst 2014 in Kraft ist und als Erweiterung der Biodiversitäts-Konvention das Access and Benefit Sharing genetischer Ressourcen regelt. Diese Aktivitäten ermöglichten eine Intensivierung von Kontakten mit nationalen Forschungsinstitutionen der besammelten Ländern wie Bosnien-Herzegovina, Italien, Kroatien, Montenegro, Serbien, der Slowakei oder der Tschechischen Republik.

Verbreitung der Eiszeitrefugien diverser Baumarten: A – Abies alba, Cb – Carpinus betulus, Fe – Fraxinus excelsior, Fs – Fagus sylvatica, Q – Quercus spp.

Experte: Christoph Dobeš
Rückfragen: Marianne Schreck
Projektpartner: Universität Wien, Universität Innsbruck, Botanischer Garten Madrid