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Kommt der gläserne Wald?

Diese Frage beschäftigt das Institut für Photogrammetrie und Fernerkundung der TU Wien und das Institut für Waldinventur des BFW. Welche Informationen über den Wald erschließt das Laserscanning und wie genau sind diese? Werden alle 3,4 Milliarden Bäume im österreichischen Wald mit ihren genauen Koordinaten einzeln erfassbar sein?

Will man für große Waldflächen Aussagen treffen, stützt man sich derzeit vor allem auf statistische Auswertungen von Stichprobenerhebungen, wie etwa im Rahmen der Österreichischen Waldinventur (ÖWI). Das Design der ÖWI erlaubt sehr genaue Abschätzungen des Holzvorrates für das gesamte Bundesgebiet und für Bundesländer. Für kleinräumige Auswertungen ist jedoch mit einer höheren Unsicherheit des abgeschätzten Holzvorrates zu rechnen.

Im Zuge des Forschungsprojekts „ÖWI-Regio“ (Regionalisierung von Waldinventurdaten mit Hilfe von Methoden des luftgestützten Laserscannings) werden Verfahren entwickelt, mit denen die Aussagekraft der ÖWI für kleinere Gebiete erhöht und die flächenhafte Kartierung ausgewählter Parameter ermöglicht werden soll. Dabei werden flugzeuggetragene Laserscannerdaten (ALS) mit terrestrischen Daten der ÖWI kombiniert. Entscheidend wird sein, inwieweit auch einzelne Bestände oder gar Bäume für ganz Österreich erfasst werden können. Für eine Antwort müssen zunächst die technischen Geheimnisse des Laserscannings gelüftet werden.

Punktweise Abtastung der Erdoberfläche

Im Zuge von flugzeuggetragenem Laserscanning wird die Erdoberfläche mittels ausgesandter, stark gebündelter Laserimpulsen abgetastet (Abbildung 1) die Erdoberfläche und die darauf befindlichen Objekten reflektieren die Impulse. Die Laufzeit jedes Impulses zwischen Aussendung und Empfang wird gemessen und gemeinsam mit der aufgezeichneten Richtung des ausgesandten Impulses sowie der Position des Laserscanners in einen 3D-Punkt des Landeskoordinatensystems umgerechnet.

Abbildung 1: Schematische Darstellung eines flugzeuggetragenen Laserscanning-Systems (siehe Bild am Anfang des Artikels); Objekthöhen (Baumhöhen, Bestandeshöhen, etc.) berechnet man aus der Differenz zwischen dem ersten und letzten empfangenen Impuls

Der Großteil der eingesetzten Laserscanner registriert den ersten und den letzten empfangenen Impuls (First-/Last-Pulse-System). Die neueste Generation von Laserscannern registriert jedoch die gesamte reflektierte Impulsform, womit alle Objekte in der Bahn eines Laserimpulses detailliert beschrieben werden können. Derartige Full-Waveform Laserscanner sind speziell für forstliche Anwendungen viel versprechend.

Diese Befliegungen erfolgen meist in einer Flughöhe über Grund von 500 3000 m, wobei abhängig vom Laserscanner-System 25.000 – 200.000 Messungen pro Sekunde durchgeführt werden. Dabei erzielt man mittlere Punktdichten von ein bis vier Laserschüssen pro m² und eine durchschnittliche Höhengenauigkeit eines berechneten Geländemodells von ± 15 cm, abhängig von Punktdichte und Geländeneigung.

Präzise 3D-Information Quadratmeter für Quadratmeter

Mit ALS-Daten lässt sich die Erdoberfläche gut dreidimensional beschreiben. Sie sind eine ausgezeichnete Datenquelle für die Erstellung von digitalen Gelände- und Oberflächenmodellen. Der Trick ist nun, dass man die Differenz zwischen Oberflächen- und Geländehöhe berechnet und dadurch die 3D-Information zu allen Objekten, die die Erdoberfläche bedecken, erhält (Abbildung 1). Das können Wohnhäuser, Kirchtürme oder Hochspannungsmasten sein, aber natürlich auch Waldbestände und sogar einzelne Bäume.

Speziell in den skandinavischen Ländern ist die Verwendung von ALS-Daten für die Abschätzung von Waldparametern (Baumhöhen, Stammdurchmesser, Vorrat) weit verbreitet und bereits Bestandteil operationaler Waldinventuren. In der Vergangenheit waren in Österreich forstliche Anwendungen von ALS-Daten auf relative kleine Testgebiete beschränkt und wurden meist im Zuge von Forschungsprojekten bearbeitet. Ein Grund dafür: Bis vor kurzem fehlten großflächige ALS-Daten.

Weiters zeichnet sich der Wald in Mitteleuropa neben einem hohen Holzvorrat auch durch seine starke Heterogenität in der Arten- und Alterszusammensetzung aus. Dies erschwert die Anwendung bestehender Algorithmen für die Abschätzung von Waldinformationen und erfordert oftmals neue Herangehensweisen und Berechnungsmethoden.

Steigende Verfügbarkeit von Laserscannerdaten

Innerhalb der letzten fünf Jahre verzeichnete das Laserscanning einen starken Aufschwung in Österreich: Auslöser dafür waren die verheerenden Überschwemmungen und die damit verbundene starke Nachfrage nach präzisen topographischen Daten. Heute stehen ALS-Daten auch für große Gebiete zur Verfügung. Für Vorarlberg lagen Ende 2005 flächenhaft ALS-Daten vor, für Tirol werden die Befliegungen 2008 und für Niederösterreich 2009 abgeschlossen. Ebenso liegen kleinräumige ALS-Befliegungen für die meisten anderen Bundesländer bereits vor.

Die Befliegung der fehlenden Gebiete ist vielfach in Planung. Durch das große Angebot an ALS-Daten wird erstmals eine kostengünstige, großflächige Anwendung für nationale Waldinventuren möglich.

Vorratsschätzung mittels Laserscannerdaten

Aufbauend auf früheren Studien des Instituts für Photogrammetrie und Fernerkundung der TU Wien werden empirische Modelle zur Abschätzung von Waldinformationen angewandt. Der Vorrat einer Probefläche laut ÖWI wird in Beziehung gestellt zur Differenz zwischen Oberflächenmodell und Geländemodell gemäß ALS. Dieses Volumen entspricht dem gesamten umhüllenden Baumvolumen und dient als Eingangsgröße für die lineare Regressionsanalyse.

Letztlich werden mit Hilfe eines Programms die Laserscannerdaten in Kombination mit den ÖWI-Daten weitgehend automatisiert ausgewertet. Die ALS-Daten für Vorarlberg stellt das Landesvermessungsamt Feldkirch für das Projekt ÖWI-Regio zur Verfügung.

Punktgenaue Orientierung ist notwendig

Da die Probeflächenmessungen der ÖWI für die Kalibrierung der Vorratsmodelle dienen, ist eine exakte Co-Registrierung der ÖWI-Stichprobenflächen auf die ALS-Daten erforderlich. Die mit GPS gemessenen Koordinaten der ÖWI Probeflächen sind dafür meist nicht ausreichend genau (Abbildung 2). Mit Hilfe eines eigens entwickelten semiautomatischen Softwaretools werden die Positionen der Probeflächen so lange verändert, bis die Baumpositionen und Höhen der ÖWI bestmöglich mit den ALS-Baumhöhen übereinstimmen.

Abbildung 2: Die Koordinaten der ÖWI-Probefläche (rot) waren ungenau: Sie werden automatisch korrigiert (blau). Das Bild zeigt ein Orthofoto mit darüber gelegten Höhen aus dem ALS mit jeweils 1m x 1m Pixeln

Wald noch nicht gläsern, aber transparent

Erste Analysen haben eindeutig gezeigt, dass ein Verfahren, bei dem das Volumen einzelner Bäume geschätzt wird, zumindest für großräumige Anwendungen derzeit nicht zielführend ist. Es gelingt aber für Flächen, die in etwa der Größe einer ÖWI-Probefläche mit 300 m2 entsprechen, den Vorrat mit einem statistischen Fehler von rund ± 25% zu schätzen. Dieser Wert gilt für Nadelholz, bei Laubholz ist die Unsicherheit etwas größer.

Diese Unsicherheit erscheint auf den ersten Blick hoch. Sie wird jedoch sicherlich immer geringer, je größer die Fläche ist, für die der Vorrat bestimmt werden soll. Wie groß sie letztlich für 100 Hektar oder auch für eine gesamte Bezirksforstinspektion ist, wird derzeit noch untersucht. Mit Hilfe des Modells soll der Holzvorrat für die gesamten 97.000 Hektar Wald Vorarlbergs ermittelt werden. Die beispielhaft gezeigte Holzvorratskarte (Abbildung 3) weist ebenso wie die aus den ALS-Daten abgeleiteten topographischen Modelle eine Rasterweite von 1 m auf.

Abbildung 3: Ausschnitt aus der Holzvorratskarte von Vorarlberg mit Teilen des Gargellentales im Montafon

Die entwickelten Softwaretools werden im Zuge von ÖWI-Regio am BFW implementiert und stehen somit für die Einbindung in die ÖWI zur Verfügung.

Mögliche Anwendungen auf Betriebsebene

In einem kürzlich begonnenen Zusatzprojekt wird gemeinsam mit der Österreichischen Bundesforste AG untersucht, inwieweit ALS-Daten für Betriebszwecke ausgewertet werden können. Das Testgebiet liegt im südlichen Niederösterreich und umfasst 2500 Hektar.

Primär ist hier die erzielbare Genauigkeit der Vorratsschätzung auf Bestandesebene interessant. Dafür kommen neue Full-Waveform Laserscannerdaten zum Einsatz. Für die Kalibrierung und Überprüfung der Modelle werden eigens erhobene Stichproben und die Bestandesinformationen aus der Forsteinrichtung verwendet. Die viel feinräumigere Datenlage lässt genauere Vorratsschätzungen erwarten, als dies bei der Großraumanwendung der Fall ist.

Zusätzlich können für das Testgebiet unterschiedliche Szenarien für die erforderliche Laserpunktdichte sowie die Anzahl an notwendigen Referenz-Waldinventurpunkten durchgeführt und analysiert werden. Die Ergebnisse werden in einigen Monaten vorliegen.

Autoren

Markus Hollaus1,3, Klemens Schadauer2 und Wouter Dorigo3
1) Christian Doppler Labor für „Räumliche Daten aus Laserscanning und Fernerkundung“ am Institut für Photogrammetrie und Fernerkundung, Technische Universität Wien Gußhausstr. 27-29, 1040 Wien
2) Institut für Waldinventur, Bundesforschungszentrum für Wald Seckendorff-Gudent-Weg 8, 1131 Wien
3) Institut für Photogrammetrie und Fernerkundung, Technische Universität Wien Gußhausstr. 27-29, 1040 Wien