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Die Baumart Vogelkirsche im Fokus der Herkunftsforschung

Seit über zehn Jahren untersucht das Institut für Waldgenetik des Bundesforschungszentrum für Wald auf drei Versuchsflächen im östlichen Niederösterreich Wuchs- und Resistenzverhalten der Vogelkirsche (Prunus avium L.). Geprüft werden vier Herkünfte aus Österreich und sechs Herkünfte aus Deutschland. Elfjährig wurden die Merkmale Anwuchsverhalten, BHD, Höhe, Stammform und das Auftreten von Gummifluss erhoben. Die Plantagenherkunft Liliental überzeugt durch überlegenes BHD- und Höhenwachstum, des Weiteren zeigt sie mit 44 % geraden Stämmen die beste Wuchsform.

Neu gewonnene Erkenntnisse dieser Versuchsserie, die Verfügbarkeit von höherwertigem Plantagensaatgut und die Neuregelung des Forstlichen Vermehrungsgutgesetzes (FVG 2002) machen weitere Herkunftsversuche unabdingbar. Im Frühjahr 2009 wurden vier neue Versuche mit Material aus Österreich, Deutschland und Ungarn angelegt. Den Nordosten Österreichs prägt ein typisch pannonischer Klimaeinfluss. Charakteristisch sind geringe Niederschlagsmengen (mittlere Jahresniederschlagsmenge liegt unter 500 mm) und sommerliche Trockenperioden.

Material und Versuchsanlage

Sechs Herkünfte aus Deutschland, davon eine Plantagenherkunft (Kategorie „qualifiziert“), zwei Herkünfte der Gütegemeinschaft für forstliches Vermehrungsgut DKV (Kategorie „ausgewählt“ mit besonderem Gütesiegel) und drei Bestandesabsaaten (Kategorie „ausgewählt“) aus Deutschland stehen im Test mit zwei Absaaten aus Oberösterreich und jeweils einer Bestandesbeerntung aus Niederösterreich und Kärnten (Tabelle 1).

Es wurden zwei Anlage- und Pflanzweiteverbände getestet. Bei Hollabrunn wurden zwei Flächen im Verband von 1,5 X 6 m gepflanzt, während in Eibesthal bei Mistelbach ein Verband von 2 X 2 X 8 m gewählt wurde. Bei letzterer wurden zwei Kirschenreihen im „2 m Engverband“ gepflanzt, zwischen den Doppelreihen blieb ein Abstand von acht Metern frei. Einheitlich wurde auf allen Flächen Bergahorn (Acer pseudoplatanus) als Füllholz im Abstand von 2 Metern zu den Kirschenreihen eingebracht.

Der Weitverband setzt die Wahl der richtigen Herkunft voraus, denn nur dann lassen sich später genügend Z-Bäume als Wertholzträger ausweisen. Die Kulturkosten beim Weitverband sind geringer als beim Engverband und er begünstigt natürlichen Begleitwuchs. Dieser übernimmt die nötige Beschattung der wertvollen unteren Stammabschnitte und er kann für ein rascheres Jugendwachstum von Vorteil sein. Dies minimiert das Risiko in der Jugendphase, gleichzeitig wird der Wert des späteren Bestandes durch das natürliche Aufkommen diverser Edellaubhölzer gesteigert.

Bisherige Maßnahmen

Die Kirschen-Wertholzproduktion benötigt einen Formschnitt und später eine Wertastung, auf allen Flächen wurden bis zum Kulturalter von fünf Jahren diese Arbeitsschritte durchgeführt. Elfjährig wurden die Z-Bäume selektiert und je nach Oberhöhe bis zu einer Höhe von 4 bis 5 Metern aufgeastet und freigestellt. Die Astungshöhe richtete sich nach der Höhe des Z-Baumes, daneben war der Verbleib einer kräftigen und vitalen Krone ausschlaggebend für die Stärke des Eingriffes.

Die Messdaten wurden 2008 an 1657 elfjährigen Pflanzen erhoben. Von den zehn Herkünften wurden BHD, Höhe, Stammform, Anwuchsverhalten und das Auftreten von Gummifluss erhoben.

Ergebnisse

Ausfall – Jugendphase

Von den 3004 gesetzten Jungkirschen im Jahr 1998 sind 2008 noch 1657 Pflanzen vorhanden, d.h. 45 % sind ausgefallen. Schwer war abzuschätzen der Anteil, der auf Schäden durch Mausfraß, Verbiss- und Fegschäden durch Reh- und Rotwild (trotz Einzelschutz!!), aber auch infolge Konkurrenzdruck des massiv aufkommenden Begleitwuchses (Verdämmung) zurückzuführen ist. Die großen, statistisch abgesicherten Unterschiede im Anwuchsverhalten der einzelnen Herkünfte zeigen allerdings, dass ein Großteil der Ausfälle auf die Herkunft zurückgeführt werden kann (Abbildung 1).

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Abbildung 1: Herkunftsspezifischer Ausfall (%)

Mit hoher Wahrscheinlichkeit kann als herkunftsspezifische Ausfallursache das sommerwarme, durch geringe Niederschläge gekennzeichnete Klima im Weinviertel angesehen werden, insbesondere das Trockenjahr 2003. Bei der Weinviertler Herkunft Hagenberg-Mittersteig fielen nur 17 % der Pflanzen aus. Es folgen die Herkünfte Süddeutschland mit 26 % und Schwarzwald mit 42 %.

Durchmesser

Der Kreisflächenmittelstamm über alle drei Versuchsflächen beträgt 6,8 cm (100 %) und variiert von 6,1 cm (90 %: Herkunft Bad Hall-Feyregg) bis 7,7 cm (113 %: Herkunft Liliental). Das beste Durchmesserwachstum wies die Plantagenherkunft Liliental aus Freiburg im Breisgau auf. Zwischen den anderen neun Herkünften sind die Unterschiede weit geringer, einzig die niederösterreichische Herkunft Hagenberg-Mittersteig erwies sich besser als der Durchschnitt (Abbildung 2).

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Abbildung 2: BHD-Entwicklung im Alter 11

Interessantes Detail: Die Herkunft Liliental produzierte in den ersten elf Jahren im Mittel um 8 mm mehr Zuwachs als die zweitplazierte Herkunft Hagenberg-Mittersteig. Die Herkunft Süddeutschland (Rang 3) und die mattwüchsigste Herkunft Bad Hall-Feyregg (Rang 10) trennen ebenso 8 mm.

Höhenwachstum

Die beiden Herkünfte Liliental und Hagenberg-Mittersteig liegen auch bei der mittleren Baumhöhe vorne: mit 6,9 m und 6,8 m. Der Mittelwert aller Herkünfte beträgt 6,4 m. Als nächtes folgt die Herkunft Süddeutschland mit 6,6 m höhe. Die schlechtesten Höhenwuchsleistungen wiesen die Herkünfte St. Andrä (5,9 m) und Bad Hall-Feyregg (6,0 m) sowie die oft aus Deutschland nach Österreich verbrachte Herkunft Odenwald (6,1 m) auf.

Die anderen vier Herkünfte liegen im mittleren Höhenwachstum zwischen 6,1 m und 6,2 m. Eine Signifikanzprüfung ergab statistisch abgesicherte Unterschiede im Höhenwachstum zwischen der Herkunft Liliental und den anderen Vergleichsherkünften (Ausnahme Herkunft Hagenberg-Mittersteig). Die Herkunft Hagenberg-Mittersteig ist ihrerseits im Höhenwuchs allen verbliebenen Herkünften (Ausnahme Herkunft Süddeutschland) signifikant überlegen. Die minimalen Unterschiede zwischen den verbliebenden Herkünften sind statistisch nicht nachweisbar.

Abbildung 3: Mittlere Höhe der Prüfglieder im Alter 11

Standort und Wuchsleistung

Der Einfluss des Standortes (wüchsiger / karger Standort) auf das Wuchspotenzial der einzelnen Herkünfte ist erheblich. Die Kirschen auf der Fläche „Schönborn-Äußere Langau“ bei Porrau erreichten einen mittleren BHD von 9,2 cm und eine mittlere Höhe von 7,6 m. Am unteren Ende rangiert die Fläche „Eibesthal-Im Greut“ mit einem mittleren BHD von 5,4 cm und einer mittleren Höhe von 5,6 m.

Die DKV-Herkunft Miltenberg war am instabilsten. Mit 5,7 cm im Durchmesser- und 3,2 m im Höhenwachstum reagierte sie am meisten auf veränderte Boden- und Umweltverhältnisse. Die lokale Herkunft Hagenberg-Mittersteig zeigte hingegen kaum Reaktionen. Die Unterschiede liegen im Durchmesserbereich bei 1,5 cm und im Höhenwachstum bei 1,0 m.

Form- und Qualitätsmerkmale

Neben dem Volumen bestimmen bei der Vogelkirsche die Qualitäteigenschaften Geradschaftigkeit und Wipfelschäftigkeit den betriebswirtschaftlichen Erfolg. Die Stammform wurde nach den Aussehen (gerader Wuchs, leicht gekrümmt oder stark gekrümmt) eingeteilt: 503 Stämme (30 %) wurden als gerade qualifiziert, 595 (36 %) als leicht gekrümmt und 559 (34 %) als stark gekrümmt.

Gravierende Unterschiede lassen sich zwischen den Herkünften erkennen. Die Herkunft Liliental überzeugt mit 44 % gerade gewachsener Bäume. Auch die oberösterreichische Herkunft Bad Hall-Pfarrkirchen zeigt sich mit 42 % geraden Stämmen (22 von 52 Bäumen) als sehr formschön. Als wenig geradwüchsig stellten sich die Herkünfte Schwarzwald (21 %), Süddeutschland (24 %), Grabfeld (24 %) und die Herkunft St. Andrä (25 %) heraus (Abbildung 4).

Abbildung 4: Schaftform in Prozent – Indikator für spätere Wertleisung

Diese großen Form-Unterschiede sind möglicherweise eine Folge wenig angepasster Mutterbestände bzw. unzureichender Genetik des Ausgangsmaterials. Unweigerlich wird dies später zu zusätzlichen Kosten durch waldbauliche Pflegeeingriffe führen.

Fluss des Gummis

Der Gummifluss (auch Gummose) weist auf eine physiologische Störung des Baumes hin. Charakteristisch für dieses Schadbild ist der gummiartige, bernsteinfarbene Flüssigkeitsaustritt zwischen den Rindenschuppen, an Ästen und am Stamm. Als Auslöser dafür gelten Bakterieninfektionen (u.a. Pseudomonas syringae), Frost, Störungen im Wasserhaushalt, möglicherweise aber auch Verletzungen in Folge unsachgemäßer Wertastung.

Auf den untersuchten Flächen wurde an 48 Bäumen (3 % der Versuchspflanzen) Gummifluss diagnostiziert. Am stärksten betroffen ist die Herkunft Süddeutschland mit 12 %, gefolgt von der Herkunft Grabfeld mit 9 %. Die geringste Befallsquote zeigen die Herkünfte Bad Hall-Pfarrkirchen und Schwarzwald mit jeweils 1 %.

Erkenntnisse

Es kam deutlich zum Ausdruck, dass bei der Vogelkirsche große Unterschiede zwischen den Herkünften zu beobachten sind. Laut Versuchsserie hat sich das Plantagensaatgut aus Liliental mit der besten Wuchsleistung und den besten Formeigenschaften als überlegen erwiesen. Daneben überzeugt die lokale Herkunft Hagenberg-Mittersteig mit einer ausgezeichneten Wuchsleistung und den geringsten Ausfällen bei gleichzeitig guten Formeigenschaften.

Ausblick

Der besondere Wert von Plantagensaatgut wurde im vergangenen Jahrzehnt von den Forstleuten und Forstbaumschulen erkannt. So wurden im Zeitraum von 1996 bis 2006 nicht weniger als sechs Saatgutplantagen für forstliche Zwecke in Österreich angelegt und zugelassen, von denen mittlerweile regelmäßig Vermehrungsgut auf den Markt kommt. Um dieses Material in Vergleichsanbauten zu testen, startete das Institut für Waldgenetik des BFW im Frühjahr 2009 zusammen mit den Bundesländern Oberösterreich, Niederösterreich, Steiermark und Burgenland eine neue Versuchsserie.

Geprüft werden vorwiegend Plantagenbeerntungen aus Österreich, Plantagennachkommen und bewährte Herkünfte aus Deutschland sowie je eine Handelsherkunft aus Österreich und Ungarn. Zudem wird das vergleichsweise teure, mikrovegetativ vermehrte Klongemisch „silvaSELECT“ aus Deutschland geprüft. Im Gegensatz zu den vorliegenden Ergebnissen, welche auf den sommerwarmen Osten Österreichs (WG 8.1) beschränkt sind, beinhaltet die neue Versuchsserie auch Flächen in den Wuchsgebieten 5.3 und 7.1.6.

Originalartikel

Vogelkirsche Herkunft Weissenbacher