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Wald und Klimaerwärmung

Vom Blühen und Vergehen im Wald. Waldforschung in Österreich ist ein Schlüssel zum Verständnis, wie sich Wald mit der Klimaerwärmung verändert.

Afrika macht es notgedrungen vor: Das von Wüste und Halbwüste geprägte Land möchte im Rahmen eines von Deutschland und der Weltbank initiierten Klimaprojekts bis 2030 eine Million Quadratkilometer Wald aufforsten. Eine der gezielt gepflanzten Baumarten wird etwa die sehr trockenresistente Akazie sein. Sie hat unzählige Arten, kleine, meist gelbe oder weiße wollige Blüten, eine Baumkrone, die einem Schirm gleicht. Auch in ihrer Verwendung ist sie vielseitig. Diese neue Waldfläche entspricht etwa einem Siebtel der momentanen Bewaldung Afrikas.

Afrika ist neben Südamerika und Asien jener Kontinent, auf dem die Entwaldung am rapidesten voranschreitet. Klimatische Bedingungen, jahrhundertelange bis heute andauernde Übernutzung, Kolonisierung und Radikalisierung der Bevölkerung haben tiefgreifende gesellschaftliche und ökologische Spuren hinterlassen.
Auch zwischen Afrika und Europa besteht ein Wissens­transfer hinsichtlich der Klimaerwärmung. Unter dem Schlagwort „Forest Responses to Climate Change – Why African Forests Matter“, eine Kooperation, die zwischen IUFRO, dem Ministerium für Nachhaltigkeit und Tourismus und dem Austrian World Summit besteht, wird sichtbar, wie wichtig die Vernetzung auf wissenschaft­licher, politischer und gesellschaftlicher Ebene für dieses Thema ist – nicht nur für Afrika, auch für Europa.

Wüstenbildung oder Desertifikation bedeutet den sukzessiven Verlust von Landschaft durch Austrocknung. Ist Boden ohne Bewuchs, wird Humus durch Wind verweht oder vom Regen ausgewaschen. Pflanzen haben kein beständiges Substrat mehr zu wachsen. Ihre natürliche Fähigkeit sich zu reproduzieren geht verloren, weil kein Wasser und keine Nährstoffe gespeichert werden können. Auch spielt der drastische Rückgang der Artenvielfalt eine große Rolle, allen voran Insektenarten. 40 Prozent sollen laut einer jüngsten Studie von Biological Conservation betroffen sein. Fehlen Insekten als Bestäuber und als Nahrungsgrundlage, wirkt sich das negativ auf Pflanzen, Tiere und schließlich auf die Ernährungssicherheit des Menschen aus.

Es fällt schwer, sich Wüstenbildung in Europa vorzustellen, obwohl es auch hier einige, kleinere gibt: Bardenas Reales im Norden von Spanien etwa, die Lieberoser Wüste im deutschen Brandenburg oder die Błędów-Wüste im schlesischen Hochland von Polen. Im UN-Aktionsplan „Transformation unserer Welt: die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung“ heißt es jedenfalls unter Punkt 15: Landökosysteme schützen und wiederherstellen. Was ist der Schlüssel für eine nachhaltige Forstwirtschaft in Zeiten der Klimaerwärmung? Wo setzt man an?

Stark per Definition

Europa war noch vor nicht allzu langer Zeit zu etwas mehr als 40 Prozent (Eurostat 2011/ EU27) bewaldet. Nun sind es 33 Prozent (Soef2015, EU28). Geht es dem europäischen Wald so schlecht? Nein. Anders als der globale Wald (31 %/FAO) wird der europäische mehr, obwohl sich das bis vor kurzem in den Zahlen in Bezug auf den nutzbaren Wald nicht ausreichend abbildete. Auch fällt die Bewaldung in Europa sehr unterschiedlich aus. Sehr waldreich sind Länder wie Schweden und Finnland mit einem Waldanteil von etwa 70 Prozent. Spaniens Bewaldung ist höher, als man annehmen würde: 38 Prozent. Schlusslichter mit circa zwölf Prozent sind Großbritannien und Irland u.a. (Weltbank/Soef2015).

Zumindest für Europa gibt es eine genauere Definition, seitdem das Institut für Wald­inventur des BFW mit Klemens Schadauer gemeinsam mit vielen europäischen Partnern daran gearbeitet hat. Das bedeutete auch, dass manche Länder ihre Zahlen nachschärfen mussten. „Es gibt weniger Nutzflächen und weniger Zuwachs als bisher angenommen. Gründe, die eine Nutzung von Holz im Wald einschränken, sind zum Beispiel Naturschutzwidmungen, Flächen mit geringer Produktivität und technischen Möglichkeiten im steilen Gelände. Auch können fehlende Forststraßen oder ab­weichende Interessen von Eigentümerinnen Ursachen dafür sein, dass Wälder von europäischen Ländern nicht direkt vergleichbar waren“, sagt Klemens Schadauer.

Diese gemeinsame europäische Definition von nutzbaren Flächen macht das nun möglich. Es geht um eine sichere Datengrundlage für die Aufrechterhaltung aller Leistungen der europäischen Wälder inklusive der nachhaltigen Versorgung mit Holz und Biomasse. In Zeiten der Klima­erwärmung ist das eine Herausforderung.

Erhaltung durch Anpassung

Die Auswirkungen der zunehmenden Wärme auf das Wachstumsverhalten von Pflanzen sind ambivalent: Sagt man der europäischen Land- und Forstwirtschaft einerseits eine erhöhte Produktion voraus, muss man andererseits auch mit wenig vorhersehbaren Ausfällen und Wasserknappheit in Spitzenzeiten rechnen. Apfelbäume etwa blühen heute zwei Wochen früher als noch vor 40 Jahren (Kromp-Kolb 2018). Die Wahrscheinlichkeit, dass Frosteinbrüche die Blüte zerstören, erhöht sich, wodurch Ernten gefährdet sind. Das erfordert in weiterer Folge Importe, die C02-intensiv ausfallen können. Generell hat sich die Entwicklung der Vegetation laut Global Change (2006) seit den 1970er-Jahren um etwa 2,5 Tage pro Jahrzehnt vorverlagert. Bäume im Wald werden also künftig trockenresistenter sein müssen, da der Wasserhaushalt durch die Erwärmung einen vergleichsweise niedrigeren Umsatz erzielt. Es muss nicht gleich Akazie sein. Ahorn, Douglasie und Eiche sind die hiesigen Hoffnungsträger. Traditionelle österreichische Baumarten wie Fichte und Rotbuche werden mit der Erwärmung wesentlich zu leiden haben, vor allem dort, wo die Fichte nicht ursprünglich gewachsen ist und momentan als Reinbestand massiv unter Druck gerät. Hat ein Baum „Trockenstress“, ist er leichter anfällig für Windwurf, Schädlinge und Krankheiten. Unter Trockenstress reduziert der Baum seine Blattoberfläche, Biomasse wird von der Krone in den Baumstamm und in die Wurzeln verlagert und er schließt seine „Poren“, um den Wasserverbrauch so gering wie möglich zu halten. In dieser Position ist er verwundbar, vor allem was äußere Einflüsse betrifft. Ist eine größere Fläche durch Windbruch geschädigt, lässt der Borkenkäfer nicht lange auf sich warten. In Österreich steht es im Forstgesetz, kahle Flächen innerhalb von zehn Jahren wieder aufzuforsten. Würde das nicht erfolgen, wäre mit einer zunehmenden Verschlechterung des Standorts zu rechnen: Die wichtigen Funktionen des Bodens verändern sich, allem voran das Vermögen, Wasser zu speichern.

Strategien der Reproduktion

Verbündete bei der natürlichen Reproduktion von Bäumen sind Insekten, Vögel und der Wind. Anders als der Borkenkäfer, von dem es immer zu viel zu geben scheint, ist im Zuge der Klimaerwärmung ein massiver Rückgang von den „guten“ Insektenarten wie etwa Schmetterlinge, Bienen und Wespen zu verzeichnen. Auch die Vielfalt von Vögeln reduziert sich gesamt betrachtet – für die Arten im intakten Wald trifft das weniger zu. Dabei spielen Insekten bei der Bestäubung von (wilden) Obstbaum- oder aber auch bei verschiedenen Linden­arten eine wichtige Rolle. Die unscheinbaren, hoch oben in der Krone wachsenden Blüten von Waldbäumen wie Rot­buche, Fichte und Eiche setzen auf eine andere Strategie. Damit sie ihre Quote erreichen, gehen sie in Massenproduktion. Die Pollen werden wolkenweise per Wind vertragen, die Bäume sind anemophil.

Pollen- und Saatgutforschung am BFW

Am Bundesforschungszentrum für Wald hatte sich der Forstwirt Rudolf Litschauer dem Monitoring von Pollen und Früchten vor allem von Fichte, Lärche und Zirbe in den Alpen gewidmet, dort also, wo diese Baumarten natürlich vorkommen. Auf seinen drei Standorten in Obergurgl, Murau und Tamsweg war er seit 1998 dem Prinzip der Nachhaltigkeit von Wäldern gefolgt, dessen Kern im angepassten Saat- und Pflanzgut liegt. In seiner Forschung konzentrierte er sich zunehmend auf das Blüh- und Fruktifikationsverhalten, das heißt, die Fähigkeit Früchte auszubilden, von Bäumen, um Dynamiken und Wechselwirkungen auf den Grund zu gehen. Er konnte 2001 feststellen, dass sich das Blühverhalten von Erle, Hasel, der mittlerweile kaum noch mehr vorhandenen Ulme und der Lärche seit den 80er-Jahren wie die Apfelblüte um 14 Tage vorverlagert hat. Litschauer arbeitete auch in Kooperation mit der ZAMG und dem Pollenwarndienst der Medizinischen Universität Wien. Die ZAMG beschäftigt sich auch intensiv mit dem zunehmend geänderten Blühverhalten von Pflanzen, der Phänologie.

Blühen und Neubeginn

Nicht jedes Jahr ist ein Waldbaum in der Lage, voll zu blühen und dementsprechend Früchte zu produzieren. Die Vollblüte und die Vollmast kann man sich wie einen Aderlass vorstellen, schreibt Litschauer einmal. Große Reservestoffe des Baums werden verbraucht. In den Jahren dazwischen muss er sie sammeln und speichern. Mitte des 19. Jahrhunderts fiel der Zuwachs von Eiche und Buche in Jahren der Vollmast bis zu 20 Prozent geringer aus, der Schwerpunkt lag auf Reproduktion. Litschauer nahm diese historischen Ergebnisse auf und stellte fest, dass das ab 1990 nicht mehr zutraf. Er führte es auf die wärmeren Temperaturen und die höheren Nährstoffeinträge in Folge der Klimaerwärmung zurück. Höhere Nährstoffeinträge, so weiß man jetzt, sind nur sehr bedingt Folge der Klimaerwärmung. Rudolf Litschauer verstarb kurz nach seiner Pensionierung im Jahr 2016.

Seine Expertise hat andere motiviert, sich mit Pollen und in Folge mit dem Fruktifikationsverhalten zu beschäftigen: Silvio Schüler und Katharina Lapin etwa vom Institut für Waldwachstum und Waldbau arbeiten mit dem Institut für Waldgenetik an Forschungsprojekten wie MoreSeedsAdapt und SUS-TREE. „Wir benötigen für den Umbau der Wälder in klimastabilere Mischwälder geeignete Samen und Pflanzen. Daher müssen wir besser verstehen, wie sich die Umweltbedingungen auf die Samenproduktion und damit auch auf die Natur­verjüngung auswirken und ob für zukünftige Aufforstungen genügend Baumsamen verfügbar sein werden. Außerdem müssen wir prüfen, ob in Zukunft Saatgut aus wärmeren Regionen in Österreich zum Einsatz kommen sollte“, sagt Institutsleiter Silvio Schüler.

Dieses Wissen findet auch Eingang in internationale Projekte, die Aufbauarbeit in Afrika leisten. Auf dass die nächsten Generationen sich an der Akazien­blüte in Afrika erfreuen dürfen.

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Was bei der Bestäubung passiert

Pollen lagern sich mithilfe des Winds oder von Insekten auf Narben oder Samenanlagen von Pflanzen ab. Ein Pollen­schlauch bildet sich, der die Befruchtung initiiert, also die Verschmelzung der Ei- mit der Spermazelle. Ein Pflanzenembryo entsteht. Die Strategie der Windbestäubung benötigt eine große Menge an Pollen, die Insektenbestäubung vitale Tiere. Der große Unterschied: Pflanzen entwickeln keine Duftstoffe, um Insekten anzulocken, und blühen bereits vor dem Blattaustrieb.

Wald und Wildobst

Wildobstbaumarten, die wilden Vorfahren unserer Obstbäume Apfel, Birne und Kirsche, finden zunehmende Beliebtheit in Wäldern. Nicht nur, dass sie Nahrung für Vögel und Insekten liefern, die die Artenvielfalt erhöhen, auch ihre Früchte und ihr Holz sind geschätzt. Die Vogelkirsche ist mit Abstand die häufigste Wildobstbaumart – sie kommt vereinzelt in Höhe der Kraut- bis hin zur Baumschicht auf etwa 14,5 Prozent der ÖWI-Probeflächen vor, gefolgt von der Trauben­kirsche mit 4,5 Prozent – Kornellkirsche (2,5 %), Wildapfel (1,7 %), Wildbirne (1,2 %). Als Rarität gilt der Speierling mit 0,05 Prozent.