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Versteckte Gefahren: Rutschungen und Hangmuren

Hangrutschung im Mölltal, Kärnten

In den letzten Jahren haben extreme Niederschlagsereignisse scheinbar vermehrt Rutschungen ausgelöst, bei denen nicht nur Schäden an Siedlungen und Infrastruktur, sondern auch Todesopfer und Verletzte zu beklagen waren.

Von der Öffentlichkeit und Medien wird häufig die Frage gestellt, ob diese Entwicklung auf die Klimaänderung zurückzuführen ist? Die für den Schutz der Bevölkerungen verantwortlichen und die direkt von den Auswirkungen von Rutschungen Betroffenen wiederum interessiert vordringlich, wie gefährdete Bereiche erkannt, gemieden oder geschützt werden können.

Treibende und rückhaltende Kräfte

Rutschungen sind Massenbewegungen entlang präformierter oder im Augenblick des Bruches entstehender Gleitflächen. Der Widerstand, den Böden jeder Bewegung entgegenbringen, setzt sich aus der inneren Reibung (Rf) und der Haftung (N) zusammen. Demgegenüber steht die treibende Kraft (T), die im Wesentlichen aus dem Eigengewicht (Schwerkraft) in Verbindung mit der Hangneigung resultiert.

Abbildung 1: Rutschungen entstehen, wenn die treibenden Kräfte (T) die Summe der Widerstandskräfte(Rf,+ N) übersteigen

Da die treibende Kraft mit zunehmendem Neigungswinkel immer größer wird, ist die Geländeneigung für das Auftreten von Rutschungen besonders bedeutsam. Aber auch der Wassergehalt (Niederschläge) des Untergrundes ist neben anderen Parametern vor allem bei spontan auftretenden Rutschungen relevant, da er das Eigengewicht erhöht und die innere Reibung (Haftung) verringert. Je mehr Wasser also in einem Hang ist, desto leichter gerät dieser bei ansonsten gleichen Bedingungen in Bewegung.

Rutschungen können stark in Auftreten, Größe und Prozessablauf variieren dementsprechend gibt es unterschiedliche Klassifikationen. Für die maßnahmenorientierte Planung wird seitens des BFW folgende Einteilung vorgeschlagen:

Unterschiedliche Rutschungstypen erfordern eine differenzierte Herangehensweisen bei der Gefahrenermittlung und -bewertung. Die Forschungsarbeiten des BFW beziehen sich primär auf spontane Rutschungen in Lockersedimenten.

Rutschungsgefährdete Gebiete erkennen

Rutschungen können als schwerkraftdominierte Prozesse erst ab gewissen Hangneigungen auftreten. Zusätzliche relevante Faktoren sind bei spontanen Rutschungen vor allem der Bodentyp und die Vegetation, da sie den Wassergehalt des Bodens beeinflussen (vgl. Abb. 2).

Abbildung 2: Analysen der dokumentierten Rutschungen des Ereignisses 2005 im Gemeindegebiet von Gasen und Haslau zeigten deutliche Zusammenhänge zwischen Bodenform und Rutschungsanfälligkeit (spontane Rutschungen im Lockersediment) – siehe auch BFW-Dokumentation Nr. 6

In der Natur lässt sich die Rutschungsanfälligkeit durch die Ansprache der Geländemerkmale erkennen (Abb. 3). Das Fehlen entsprechender Geländemerkmale („stumme Zeugen“) lässt allerdings nicht automatisch auf geringe Rutschungsdisposition schließen (Abb. 4).

Abbildung 3: Das unregelmäßige Gelände lässt erahnen, dass die Almfläche immer wieder von Rutschungen und Hangmuren betroffen ist (Laternsertal, Vorarlberg)
Abbildung 4: Bereits zwei Jahre nachdem eine Rutschung/Hangmure abging (rechts), waren im Gelände und am Gebäude keine offensichtlichen Spuren mehr zu entdecken (links, Ereignis: Haslau bei Birkfeld, 2005)

Modellierung der Rutschungsanfälligkeit

Während große kontinuierliche Rutschungen lagemäßig meist bekannt sind und sich die Fragestellungen primär um Bewegungsraten bzw. Wahrscheinlichkeiten eines plötzlichen Hangversagens drehen, ist bei den flächenhaft auftretenden Rutschungen anders vorzugehen. Hier müssen die potenziell gefährdeten Bereiche erst ermittelt werden. Durch die Kombination bekannter Faktoren kann unter Einsatz moderner Geoinformationssysteme flächendeckend eine erste Einschätzung der (oberflächennahen) Rutschungsdisposition erfolgen.

Die dabei zur Anwendung kommenden Ansätze reichen von heuristischen Methoden (bei schlechter Datenlage) über statistische Methoden (bei umfassender Rutschungsdokumentation) bis hin zu physikalisch basierten Ansätzen (bei sehr guten Gebietsinformationen). Auf Basis dieser Dispositionskarten kann dann mittels Reichweitenmodelle der potenzielle Prozessraum abgeschätzt werden (vgl. Abb. 5).

Abbildung 5: Prozessraummodellierung auf Basis einer Rutschungsdispositionskarte (50*50 m). Orange sind die Startbereiche der Rutschungen (Annahme Disposition >0,5) dargestellt, gelb die darüber hinausgehenden mit einem energielinienbasierten Modell ermittelten Transport- und Ablagerungsbereiche (Details vgl. Adaptslide)

Im Auftrag des BMLFUW wurden im Rahmen des EU Alpine Space Projektes Adaptalp in einer Kooperation des BFW mit der GBA (Geologische Bundesanstalt), dem Joanneum Research (Graz) und der ZAMG (Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik) entsprechende umfangreiche Analysen durchgeführt. Überprüft wurde insbesondere der rutschungsrelevante Informationsgehalt verfügbarer Datengrundlagen, die Eignung verschiedener Parameterkombinationen, die Vor- und Nachteile verschiedener Ansätze und der Bewertbarkeit der Resultate. Eine Zusammenfassung der Ergebnisse sowie ein umfassender Endbericht stehen hier als download zu Verfügung.

Grundsätzlich lässt sich sagen, dass es keine allgemein gültige „best practice“ zur Bestimmung der Rutschungsdisposition gibt. Die Eignung der Ansätze ist immer von den Rahmenbedingungen (Datengrundlagen, Gebietseigenschaften) und den gesetzten Zielen abhängig. Dagegen ist weitgehend unumstritten, dass qualitativ hochwertige Aussagen nur auf Basis guter und möglichst vollständiger Dokumentationen von Rutschungsereignissen erfolgen können.

Zersplitterte Kompetenzen: Informationen über Rutschungen

Das Thema Rutschungen bzw. der davon ausgehenden Gefahren ist in Österreich kompetenzrechtlich stark zersplittert und die Zuständigkeiten dadurch nicht klar geregelt. Von der GBA werden Informationen zu (überwiegend großen) Rutschungen in der GIS gestützten Datenbank GEORIOS österreichweit verwaltet. Darüber hinaus erfolgt die Dokumentation von Massentransportprozessen auf Landesebene in unterschiedlichem Ausmaß. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die Bundesländer Kärnten (www.massmove.at, http://www.ktn.gv.at/, aktuelle Themen) Niederösterreich und Oberösterreich aber auch andere Organisationseinheiten in ihrem Wirkungsbereich (z.B. ÖBB) zu erwähnen.

Abbildung 6: Ereigniskataster für Kärnten (braun: Rutschungen, www.massmove.at)

Bundesweit gibt es die Gefahrenzonenpläne des Forsttechnischen Dienstes der Wildbach- und Lawinenverbauung (WLV). In diesen sind Massentransportprozesse als braune Zonen (Hinweisbereiche) ausgewiesen. Diese Ausweisung ist allerdings nicht zwingend vorgeschrieben und dementsprechend inhomogen und keinesfalls flächendeckend. Auf Landesebene wurden teilweise Gefahrenhinweiskarten erstellt, die aber überwiegend nicht öffentlich zugänglich sind.

Um der steigenden Forderung der Gesellschaft nach Sicherheit auch in diesem Bereich zu begegnen, hat die ÖROK (Österreichische Raumordnungskonferenz) auf Anregung des BMLFUW (Abt. IV/5 – Wildbach- und Lawinenverbauung) die Partnerschaft „Risikomanagement für gravitative Naturgefahren in der Raumplanung“ ins Leben gerufen. Diese Partnerschaft dient als Plattform für Betroffene, Administration (von Gemeinden, Ländern und dem Bund) und Wissenschaft (GBA, BFW, Uni Wien, TU Wien). Ambitioniertes Ziel dieser Plattform ist die Entwicklung gemeinsamer Planungsgrundlagen und Methoden, die in ein bundesweit harmonisierte Gefahrenbewertungen und ein entsprechendes Schutzniveau münden sollen.