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138 Tage Vogelstimmen. Über den akustischen Fingerabdruck von Tieren

Zwergschnäpper, Foto: Dr. Raju Kasambe/ccbysa

Für den Ökologen Frederik Sachser vom Bundesforschungszentrum für Wald (BFW) bieten die bioakustischen Methoden zum Thema inner- und zwischenartlicher Variationen von Lautäußerungen bestimmter Tierarten einen zeitgemäßen Zugang zur Biodiversitätsforschung. Im Rahmen von Projekten zum Thema Biodiversität findet dieser Zugang zunehmend Anerkennung.

Ein Vogel produziert Druckunterschiede mit seinem Stimmkopf und hinterlässt so eine Art akustischen Fingerabdruck. Frederik Sachser nimmt diese Vogelstimmen mithilfe von Mikrofonen im Wald auf, ein Programm visualisiert sie, mithilfe künstlicher Intelligenz werden sie klassifiziert und anschließend geprüft. Es gibt bereits zahlreiche Ansätze für die Auswertung akustischer Daten, die von Artnachweisen, Verhaltensbiologie, relative Häufigkeit, Populationsdichten, bis hin zur Individualerkennung von Vögeln reichen. Worin die Herausforderungen bestehen138 Tage Aufnahmematerial mit Vogelstimmen erfordern einen versierten Umgang mit Big Data. Hintergrundgeräusche wie Flugzeuglärm, Bachplätschern und Windrauschen können die Ergebnisse verzerren. Auch die Unterscheidung von Lautäußerungen bestimmter Arten macht die Arbeit komplexer. Handelt es sich um einen Gesang (Territorium, Paarung) oder Ruf (Warnung)? Dieser Differenzierung wurde in bisherigen Projekten zu passiv akustischem Monitoring wenig Rechnung getragen. Das große Ziel vieler Expert:innen ist ein verifiziertes Tierstimmenarchiv für Biodiversitätserhebungen.  

Beschreibung des Projekts

Um die natürliche Entwicklung von Wäldern und ihren Einfluss auf das Vorkommen und die Detektion von Zielarten zu untersuchen, wurde ein so genannter space-for-time Ansatz gewählt. Das heißt, es wurden Flächen ausgewählt, die erst kürzlich außer Nutzung gestellt wurden (Trittsteinbiotope), sowie Referenzflächen aus bestehenden unbewirtschafteten Wäldern in den Nationalparks Gesäuse und Kalkalpen. Auf insgesamt 40 Untersuchungsflächen wurde ein passives akustisches Monitoring mittels Audiorekordern und ein Rapid Biodiversity Assessment durchgeführt, wodurch eine breite Datenbasis zur Verfügung steht, die eine gute Einschätzung über die vorkommenden Vogelarten und den Charakteristika der Untersuchungsflächen zulässt. Dazu zählen Mikrohabitate von Bäumen, Totholz-Zersetzungsstadien und die Heterogenität von Strukturen.

Ergebnisse als langfristige Referenz für Trittsteinbiotope

Das passive akustische Monitoring über den Zeitraum Mai bis Juli 2022 resultierte in insgesamt 200.000 einminütigen Audioaufnahmen. Die automatisierte Arterkennung via BirdNET (Version 2.4) lieferte einen Modelloutput mit circa 2,6 Millionen unverifizierten Rohdaten für die regelmäßigen Brutvögel Österreichs (Artenliste der Avifaunistischen Kommission, Stand Dezember 2021) mit unterschiedlicher Konfidenz, darunter Zwergschnäpper (Ficedula parva), Halsbandschnäpper (F. albicollis) und Trauerschnäpper (F. hypoleuca). Ein stratifiziertes Subset von etwa 2000 Rohdaten wurde Expert:innen-verifiziert, wodurch eine ausreichende Basis für Rückschlüsse auf eine größere Gesamtheit besteht. Die erhobenen Kovariaten, die Konfidenzwerte der Arterkennung und das Ergebnis der Verifizierung werden in einem hierarchischen Modell verwendet, um Rückschlüsse über Einflussfaktoren für das Vorkommen und die Detektion der Zielarten zu erlauben. Die Ergebnisse dienen langfristig als Referenz zur Einschätzung der Entwicklung der außer Nutzung gestellten Trittsteinbiotope.

www.trittsteinbiotope.at

Spectrogramm Zwergschnäpper