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Brutvogelmonitoring

Kaum etwas ist so untrennbar mit dem Ende des Winters verbunden wie das Einsetzen des Vogelgezwitschers. Wird der Beginn der warmen Jahreszeit immer leiser?

Man stelle sich vor, das morgendliche Vogelkonzert hätte einen Dirigenten, der zu jedem Zeitpunkt den Überblick hat. Im Fall der Vögel ist der Dirigent die Sonne ­ – sie bestimmt für jede Vogelart individuell, wann in der Früh das artspezifische Ge­zwitscher anfängt. Die Vogelarten stimmen nämlich nach und nach in das Konzert ein. Der Gartenrotschwanz ist der früheste Vogel. Er singt bereits mehr als eine Stunde vor Sonnenaufgang. Die Amsel beginnt rund 45 Minuten vor dem Sonnenaufgang. Der Buchfink beginnt erst rund zehn Minuten, bevor es hell wird. Da der Sonnenaufgang in der ersten Jahreshälfte jeden Tag ein wenig früher ist, beginnt auch das Vogelkonzert jeden Tag ein wenig zeitiger.

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Das Vogelkonzert hat einen pragmatischen Zweck: Es singen vorwiegend die Männchen, die damit ihre Paarungsbereitschaft zum Ausdruck bringen und ihr Revier akustisch abstecken. Manche Vogelstimmen, wie jene der Amsel, sind uns vertraut. Wenn man wissen möchte, welchen Vogel man singen hört, dann ist es meist schwierig, den Gesang zu beschreiben. Hier empfehlen sich Tonaufnahmen der Vogelstimmen oder ein Bestimmungsbuch, das auch die Stimme lautmalerisch wiedergibt. Vielleicht haben Sie schon den bezaubernden Gesang des Pirols gehört. Der scheue Vogel brütet in offenen Laub- und auch Auwäldern und ist trotz seines gelben Gefieders kaum zu sehen. Doch wenn er singt, dann entführt er uns akustisch in den tropischen Regenwald: FOH-flüo-FÍH-fiu flötet er melodisch aus seinem Versteck im Laub.

Brutvogelzählung

Kommen wir zurück zur Ausgangsfrage. Wird die warme Jahreszeit leiser? Die Bestandsentwicklung heimischer Brutvogelarten zeichnet laut BirdLife ein düsteres Bild, man redet wieder über das Vogel­sterben. Betrifft es vor allem Offen­landarten, also jene Vogelarten, die in den Wiesen und Feldern der Kulturlandschaft leben, oder im Wald lebende Arten?

BirdLife Österreich betreibt seit 1998 das sogenannte „Monitoring der Brutvögel Österreichs“. Dabei werden jährlich die Bestände der häufigsten Brutvogelarten erhoben, um daraus Bestandstrends ableiten zu können. Die Datenerhebung wird dabei zu großen Teilen von Freiwilligen durchgeführt. Das Konzept von Citizen Science, also das Sammeln von wissenschaftlichen Daten durch interessierte Laien, funktioniert im Bereich der Vogelkunde schon seit langem. Es gibt zahlreiche Hobby-Ornithologen mit fundiertem Fachwissen, die in ihrer Freizeit wichtige Bestandsdaten erheben und so aktiv zum Artenschutz beitragen. Brutvogelmonitorings werden übrigens auch in 27 weiteren europäischen Ländern durchgeführt, wodurch man die Zahlen überregional vergleichen kann. So wurde festgestellt, dass innerhalb der letzten 30 Jahre rund die Hälfte der Vogelbestände in den EU-Staaten verloren gegangen ist, wobei insbesondere Agrarvögel davon betroffen sind, in Zahlen unglaubliche 300 Millionen Individuen.

Kulturland unter der Lupe

Aus den Daten des österreichi­schen Brutvogel-Monitoring wird der österreichische Farmland Bird Index, kurz FBI genannt, erstellt. Der Index gibt an, wie sich die Biodiversität jener Vogelarten entwickelt, die vorwiegend im Kulturland leben und brüten. Hier zeigt sich ein negativer Trend: Gut ein Drittel der Kulturlandvogelarten sind seit dem Beginn der Erhebungen 1998 verloren gegangen. Die kleinflächige extensive Landwirtschaft wurde zu­nehmend von intensiver und industrieller Bewirtschaftung abgelöst.

Perspektivenwechsel

Würden Sie ein Offenlandvogel sein, dann bräuchten Sie folgende Landschaft zum Überleben: Hecken, Feldraine, Ackerbrachen, Einzelbäume. Diese abwechslungsreichen Elemente in der bewirtschafteten Natur versprechen Ihnen Platz zum Brüten, bieten Schutz und versorgen Sie mit Insekten. Allerdings vertragen Sie die Veränderungen durch den Klimawandel schlecht. Der völlige Verlust Ihrer Habitate durch neue Infrastrukturen übt Druck aus.

Lösungsansätze kommen seitens des Naturschutzes: kleine, verhältnismäßig unaufwendige Maß­nahmen wie Ackerrandstreifen oder Brachen erhalten und schaffen, gibt den Vögeln ihren Lebensraum zurück, so der Tenor einer Studie von BirdLife von 2017.
Der FBI von BirdLife beziffert das Bild der Offenlandarten folgendermaßen: 15 der 22 wichtigsten Vertreter der Kulturlandschaft zeigen eine negative Entwicklung, ihre Bestände nehmen ab. Seit 1998 sind rund ein Drittel dieser Vögel verloren gegangen. So ist auch der Grauammer bedroht. Sein Gesang beginnt zögernd und rasselt beschleunigt gegen Ende hin: tück tück-zick-zik-zkzkzkzrississs.

Wie es im Wald aussieht

Ein Brutvogelmonitoring findet auch im Wald statt. Derzeit arbeitet man an einem neuen Brutvogelatlas. Das BFW und die Österreichischen Bundesforste sind langjährige Partner dieser groß angelegten Feldforschung, innerhalb derer 113 im Wald brütende Vogelarten in Österreich Eingang finden. Ihre Biotope wurden bis dato aufgrund der Unzugänglichkeit nur zum Teil berücksichtigt. Know-how kommt seitens der Waldinventur des BFW, die ohnehin flächendeckend und periodisch Erhebungen durchführt. Nun werden auch die artspezifischen Lebensräume mit Fernerkundung erfasst. Tannenmeise, Wintergoldhähnchen und Bergpieper sind wichtige Bioindikatoren. Sie zeigen, wie sich unterschiedliche Nutzungsarten des Waldes und die Klimaerwärmung auswirken. Ganz grundsätzlich weist der Brutvogelatlas im Vergleich zum Agrarland einen deutlich besseren Trend auf. Um waldbrütende Vogelarten ist es also nicht so schlecht bestellt.

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(li) Der Bestand des Grauammers ist um 90 % zurückgegangen. (re) Auffällig gelb, singt bezaubernd: der Pirol

Derzeit ist der vierte und letzte Teil des Brutvogelatlasses geplant. Darin werden die Fernerkundungsdaten der Österreichischen Waldinventur als Grundlage für die Modellierung der Lebensräume von 70 Brutvogelarten genutzt. Gemeinsam mit internationalen Spezialisten sucht man in den Daten nach Mustern, die das Vorkommen jeder einzelnen Art besonders gut beschreiben. Sind diese Muster einmal gefunden, können sie auf die gesamte Fläche Österreichs umgelegt werden. Damit wird letztendlich ein neuer Brutvogelatlas der Fachwelt zur Verfügung stehen, dessen Vorzug es ist, dass die von Privat-Ornithologen gesammelten Daten gemeinsam mit dem modellierten Vorkommen übersichtlich und informativ zusammengestellt werden.
Es ist Zeit für einen morgendlichen Spaziergang im Wald. Der hellklingende, zarte und schnelle Gesang der Tannenmeise ertönt: sitTJÜ-sitTJÜ-sitTJÜ. Sie trägt den übrigens am liebsten von der Spitze der höchsten Fichte vor.

Linktipp

Spektrum.de: Artensterben