Die Bedeutung der Schutzwälder in Österreich und ihre volkswirtschaftliche Relevanz
Das Bundesforschungszentrum für Wald (BFW) leitete gemeinsam mit dem Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) und der Bundesanstalt für Agrarwirtschaft und Bergbauernfragen (BAB) unter Mitwirkung der Wildbach- und Lawinenverbauung (WLV) das Waldfonds- Forschungsprojekt ÖKO-SCHU-WA.
Erstmals wurde die Bedeutung von Wäldern mit direkter Objektschutzfunktion (WDOSF) umfassend quantifiziert und gezeigt, welche Flächen, Vermögenswerte und Wirtschaftsleistung in Österreich durch diese Wälder geschützt sind.
Das Institut für Naturgefahren des BFW modellierte die drei gravitativen Naturgefahrenprozesse Lawine, Steinschlag und flachgründige Rutschung räumlich präzise. Die durch den WDOSF potenziell geschützten Bereiche wurden zunächst ohne Waldwirkung (potenzielle Schutzwirkung) und anschließend mit Waldwirkung (tatsächliche Schutzwirkung) berechnet. Dafür entwickelte das BFW im Kooperationsprojekt Prio-SCHU-WA Modelle zur Quantifizierung der Waldwirkung auf die Anbruchwahrscheinlichkeit von Lawinen und flachgründigen Rutschungen und erstellte flächendeckende Waldzustandsparameter aus Fernerkundungsdaten der Österreichischen Waldinventur.
Zur Bestimmung des Waldeinflusses auf die Prozessausbreitung wurde das Simulationswerkzeug Flow-Py weiterentwickelt. Unter Beiziehung von Fernerkundungsdaten der Österreichischen Waldinventur wurden vom WDOSF beeinflusste Prozessräume und lokale Auftretenswahrscheinlichkeiten ermittelt. Parallel bewertete das Institut für Waldinventur des BFW nach dem strukturorientierten Ansatz der ISDW-Indikatoren den Waldzustand und quantifizierte die zeitliche Veränderung der daraus abgeleiteten Schutzwirkung.

Ergänzend führte das BAB in vier Testregionen (Loser, Heuberg, Kals, Brandberg) Analysen öko-sozialer Hemmnisse und Erfolgsfaktoren der Schutzwaldbewirtschaftung durch. Fokussierte Interviews mit lokalen Akteuren untersuchten Risikowahrnehmung, Problembewusstsein, Partizipation sowie Handlungs- und Lösungsansätze.
Kernergebnisse
Räumlicher Einfluss: Wälder mit direkter Objektschutzfunktion beeinflussen außerhalb des Waldes eine Fläche von rund 299.000 ha und schützen potenziell vor Lawinen, Steinschlag und flachgründigen Rutschungen. Das entspricht 3,6 % der Gesamtfläche Österreichs – einer Fläche vergleichbar mit Wien und Vorarlberg zusammen. Bezogen auf den Dauersiedlungsraum sind etwa 155.000 ha von diesen Wäldern abhängig (4,8 % des Dauersiedlungsraums), mit erheblichen regionalen Unterschieden zwischen 0,2 % im Burgenland und 28,8 % in Tirol.
Fast eine halbe Million Menschen haben in den potenziell geschützten Räumen ihren Hauptwohnsitz, weitere fast 100.000 Personen ihren Nebenwohnsitz.
Rund 33 % des potenziell geschützten Raums sind vollständig durch die Schutzwirkung der Bäume im Wald mit direkter Objektschutzfunktion geschützt, ohne Berücksichtigung von Schutzbauten.
67 % des potenziell geschützten Raums sind teilweise durch den Wald geschützt. Dieser Anteil hängt von naturräumlichen Gegebenheiten ab, die einen vollständigen Schutz durch den Wald begrenzen (z. B. schwierige Klima- oder Bodenverhältnisse). Auf 16,9 % der potenziell geschützten Fläche besteht akuter Handlungsbedarf zur Verbesserung des Waldzustands.
Volkswirtschaftlicher Beitrag: In diesem potenziell geschützten Raum werden jährlich 14 Mrd. Euro der nationalen Wirtschaftsleistung (BIP, Stand 2021) erbracht. Das entspricht 3,4 % des BIP und übertrifft deutlich die Bruttowertschöpfung der gesamten Land- und Forstwirtschaft mit 1,2 % (4,9 Mrd. Euro). Das WIFO ermittelte diese volkswirtschaftliche Bedeutung durch Überlagerung von Beschäftigungs- und Wertschöpfungsdaten mit den WDOSF-Daten.
Die volkswirtschaftliche Bedeutung des Waldes mit direkter Objektschutzfunktion variiert stark zwischen den Bundesländern. In einigen alpinen Tälern hängt fast der gesamte Dauersiedlungsraum von der Schutzwirkung des Waldes ab.
Wahrnehmung und Akzeptanz: Die Bedeutung von Objektschutzwäldern wird oft erst nach Schadereignissen erkannt. Waldbauliche Maßnahmen zur Verbesserung der Schutzwirkung sind schwer zu vermitteln, während technische Lösungen bevorzugt werden – obwohl diese häufig erst die Voraussetzung für forstlich-biologische Maßnahmen schaffen.
Schlussfolgerungen
Die Ergebnisse zeigen dringenden Handlungsbedarf zur langfristigen Sicherung der Schutzfunktion
- Verbesserte Risikogovernance: Im Bereich der übergeordneten Risikogovernance und Raumplanung liefern die Ergebnisse eine wichtige Grundlage. Sie ermöglichen die Identifikation von Regionen, in denen die Weiterentwicklung an Grenzen stößt, sowie von Bereichen, in denen Investitionen zur Verringerung volkswirtschaftlicher Risiken vorrangig erforderlich sind.
- Regionale Lösungsansätze: Die unterschiedlichen sozioökonomischen Rahmenbedingungen erfordern maßgeschneiderte regionale Strategien. Die Fallstudien zeigen praxistaugliche Lösungen auf.
- Erweiterte Finanzierungsbasis: Die Finanzierung von Verbesserungsmaßnahmen muss auf eine breitere Basis gestellt werden und alle Kreise einbeziehen, die Vorteile aus der Schutzwirkung erzielen.
- Bewusstseinsbildung: Die Bevölkerung muss für die Bedeutung von Schutzwäldern sensibilisiert werden, damit der Wert der Gefahrenabwehr anerkannt wird.
Die Erkenntnisse aus ÖKO-SCHU-WA unterstreichen die Notwendigkeit, eine intakte Schutzwirkung der Wälder als integralen Bestandteil der regionalen Wirtschaftspolitik zu betrachten und gezielt in ihre Erhaltung und Verbesserung zu investieren. Das Forschungsprojekt liefert konkrete Hinweise, wo dies vordringlich erfolgen sollte.
Weitere Informationen
- Download des BFW-Policy Brief als PDF