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Spannungsfeld Gastbaumart oder „invasive gebietsfremde Art“

Im internationalen Diskurs zur globa­len Gefährdung der Biodiversität sind „invasive Arten“ schon lange ein promi­nentes Thema. Solche Arten sind durch menschliche Aktivitäten außerhalb ihres natürlichen Verbreitungsgebiets eingebracht worden.

Während in der Wissenschaft bei der Definition des Begriffes „invasiv“ die Fähigkeit einer Art im Vordergrund steht, sich nach ihrer Einbringung selbstständig auszubreiten, wird im naturschutzpolitischen Diskurs besonders die Gefährdung der Biodiversität und der damit verbundenen Ökosystemdienstleistungen betont. Letzteres hat sich in einschlägigen Dokumenten (Biodiversitätskonvention, EU-VO 1143/ 2014) niedergeschlagen. Wenig kontrovers ist das Thema, wenn sich die Diskussion auf eingeschleppte Arten bezieht, die ausschließlich wirtschaftliche Schäden verursachen. In Österreich betrifft das etwa durch Pilze verursachten Krankheiten (z.B. Ulmen­sterben) oder den Asiatischen Laubholzbockkäfer (siehe Teaserbild).

Naturschutz versus Wald­bewirtschaftung

Eine besondere Herausforderung sind dagegen Baumarten, die aus Sicht des Naturschutzes als invasive Arten beurteilt werden, aber aus Sicht der Waldbewirtschafter einen wirtschaftlichen Nutzen erbringen. Invasive Pflanzenarten werden in Zusammenhang mit einer Verdrängung heimischer Arten und einer gravierenden Umgestaltung der betroffenen Ökosysteme diskutiert. Daneben können auch Ökosystemdienstleistungen beeinträchtigt werden. Ein Beispiel: invasive Baumarten verbrauchen in Kapland/Südafrika bedeutend mehr Wasser und beeinträchtigen die Trinkwasserversorgung.

Ein globaler Zensus aus dem Jahr 2011 hat weltweit 622 invasive Baum- und Straucharten ergeben, wobei insbesondere Australien, pazifische Inseln, Südafrika oder Nordamerika stark betroffen sind, Europa dagegen deutlich weniger. Bereits in der internationalen Bio­diversitätskonvention (CBD) haben sich die euro­päischen Staaten zu einer globalen Strategie gegen invasive Arten verpflichtet. Die Europäische Kommission verabschiedete deshalb am 3. Mai 2011 eine Handlungsstrategie (EU Biodiversity Strategy to 2020), um den Verlust von Biodiversität aufzuhalten und den Zustand von Ökosystemen, Habitaten und Arten sowie die Dienstleistungen, die sie erbringen, innerhalb des nächsten Jahrzehnts zu verbessern.

Ziel 5 dieser EU-Strategie bezieht sich auf die „Bekämpfung invasiver gebietsfremder Arten“. Am 29. September 2014 wurde vom EU-Ministerrat ein Vorschlag für eine „Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Prävention und das Management der Einbringung und Verbreitung invasiver ­gebietsfremder Arten“ (VO 1143/2014) gebilligt. Die Verordnung ist mit 1.1.2015 in Kraft getreten.

Liste invasiver gebietsfremder Arten

Herzstück dieser Verordnung ist eine „Liste invasiver gebietsfremder Arten von unionsweiter Bedeutung“ (Art. 4), die aufgrund einer Risikobewertung (Art. 5) erstellt wird. Die von der Kommission erstellten Entwürfe für die „Unionsliste“ werden bis 2.1.2016 einem von den Mitgliedsstaaten beschicktem Ausschuss vorgelegt und dort einem Prüfverfahren unterzogen. Die Unionsliste wird mindestens alle sechs Jahre überprüft, kann aber nach Notwendigkeit auch laufend aktualisiert werden.

Die Unionsliste soll vorrangig jene „invasiven gebietsfremden Arten“ (invasive alien species) enthalten, die bisher noch nicht in der EU vorkommen oder sich in einer Frühphase der Invasion befinden, sowie solche, die bereits etabliert sind und die „stärksten nachteiligen Auswirkungen haben.“ Bei der Erstellung der Liste soll die Kommission auch die Durchführungskosten für die Mitgliedsstaaten, die Kosteneffizienz sowie soziale und wirtschaftliche Aspekte berücksichtigen.

Für eine Tier-, Pflanzen- oder Pilzart oder einen Mikroorganismus, der auf die Unionsliste gesetzt wird, ergeben sich tiefgreifende Beschränkungen (Art. 7). Solche Arten dürfen nicht vorsätzlich gehalten oder gezüchtet werden, auch nicht unter Verschluss. Sie dürfen nicht in die EU eingeführt, durchgeführt, transportiert, in Verkehr gebracht, verwendet oder getauscht oder in die Umwelt freigesetzt werden. Ausnahmen (Art. 8, 9), die etwa für die Forschung, die Herstellung von medizinischen Produkten oder auch für Zoos möglich sind, werden daran gebunden, dass die Art unter Verschluss gehalten wird.

Nach der Annahme der Unionsliste müssen die Mitgliedsstaaten zahlreiche Maßnahmen setzen. Es sind Monitoring- und Überwachungssysteme einzurichten, eine umfassende Studie zu den Ausbreitungspfaden zu erstellen sowie Managementpläne umzusetzen.

Unverhältnismäßige Kosten vermeiden

Aus den Regeln der neuen Verordnung geht recht klar hervor, dass für eine Baumart auf der Unionsliste eine forstliche Bewirtschaftung nicht mehr möglich wäre. In Punkt 12 der Präambel zur Verordnung finden sich aber die Aussagen, dass unverhältnismäßige oder übermäßige Kosten für Mitgliedsstaaten vermieden werden sollen und dass berücksichtigt werden soll, wenn eine Art umfangreich genutzt wird und bedeutenden sozialen und wirtschaftlichen Nutzen erbringt. Punkt 13 besagt außerdem, dass diese Risikobewertung eine Abwägung treffen soll, in die auch die potenziellen Vorteile der Verwendung und die Kosten von Schadensbegrenzungsmaßnahmen einfließen sollen. Somit bleibt zu hoffen, dass wirtschaftlich bedeutsame Baum­arten nicht von der Aufnahme in die Unions­liste betroffen sein werden.

Diskussion aus Deutschland in Österreich

Parallel dazu findet in Deutschland eine teils heftig geführte Diskussion (vgl. AFZ 6/2014 14/2014) statt. Anlass sind die vom deutschen Bundesamt für Naturschutz herausgegebenen BfN-Skripte 340 und 352, welche eine „Methodik der ­naturschutzfachlichen Invasivitätsbewertung für gebietsfremde Arten“, sowie eine „naturschutzfachliche Invasivitätsbewertung für in Deutschland wild ­lebende gebietsfremde Gefäßpflanzen“ enthalten.

Downloads unter bfn.de

Im Zuge dieser Bewertung sind in Deutschland einige Gastbaumarten, wie etwa Douglasie, Kanadapappel und ­Roteiche, als invasive Arten klassifiziert worden. In der Diskussion werden Zweifel an der angewandten Methodik laut, aber auch an der Vorgangsweise bei der Ableitung der Ergebnisse. Eine wissenschaftlich fundierte inhaltliche Auseinandersetzung mit allen Inhalten der BfN-Studie kann der vorliegende Artikel nicht leisten. Wesentliche und auch aus unserer Sicht nachvollziehbare Kritik an der Einstufung der Arten durch das BfN entzündet sich an der schmalen Literaturbasis, aufgrund derer die Zuordnungen getroffen wurden. Eine wesentlich breitere Basis bieten hier die Studien von Vor et al. (2015) oder – für die Douglasie – Tschopp et al. (2014).

Beide Studien als PDF: dfwr.de/aktuelles

Douglasie verbieten?

Am Beispiel der diskutierten „negativen ökologischen Auswirkungen“ der Douglasie soll dargelegt werden, dass es für die Beurteilung von Effekten entscheidend ist, mit welchen einheimischen Baumarten oder Waldbeständen die Douglasie verglichen wird. In vielen Studien zur Douglasie ist genau diese Wahl des Referenzsystems unklar (Tschopp et al. 2014). Douglasienanbau kann zu Boden­versauerung und Nährstoffaus­waschung im Boden auf Standorten führen, die zuvor mit Laubholz bestockt waren. Derselbe Effekt ist aber auch beim ­Anbau heimischer Nadelbaumarten wie der Fichte zu beobachten.

Im Vergleich mit anderen Nadel­baum­arten weist die Douglasie eine gute Streuzersetzung auf, was sich positiv auf den Boden auswirkt. Wir ziehen daraus den Schluss, dass die Auswirkungen etwa in dem Rahmen liegen, wie sie sich auch beim Vergleich zwischen verschiedenen heimischen Laub- und Nadelbaumarten ergeben. Die Beurteilung, ob die Einbringung einer Baumart ökologisch vertretbar ist, hängt immer auch vom Standort ab, welche Lebensgemeinschaft davon betroffen ist und welche Auswirkungen zu erwarten sind.

Ganz prinzipiell ist zu der deutschen Diskussion zu bemerken, dass sich die rechtliche Lage in unserem Nachbarstaat anders darstellt als in Österreich und die rechtlichen Kompetenzen anders verteilen. Eine Darstellung dazu findet sich in Vor et al. (2015) unter www.dfwr. de/aktuelles.

Soziale und wirtschaftliche Aspekte 

Das Bewertungssystem des BfN eignet sich aus der Sicht vieler Experten schon deshalb nicht zur Umsetzung der Verordnung der EU, weil nur naturschutzfachliche Kriterien, nicht aber soziale und wirtschaftliche Aspekte einfließen und keine Kosten abgewogen sowie mögliche Vorteile der Verwendungen der gebietsfremden Art nicht berücksichtigt wurden.