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Die Genetik fragmentierter Populationen

Genetische Vielfalt ist ein zentrales Ziel des Artenschutzes. Christoph Dobes vom Institut für Waldgenetik hat für deren dauerhaften Erhalt ein Planungswerkzeug für die Naturschutzpraxis geschaffen.

Naturschutz widmet sich primär sowohl der langfristigen Bewahrung der Arten, als auch dem Schutz ihrer Lebensräume. Denn zwischen Lebensraum und genetischer Diversität bestehen ursächliche Zusammenhänge. So kontrollieren die Größe und die Qualität sowie die räumliche Struktur oder Anordnung des verfügbaren Lebensraumes das Risiko des Verlusts aber auch des Zugewinns genetischer Diversität. Die wesentlichen Parameter sind die Populationsgröße, also die Anzahl der Individuen in einem gegebenen Lebensraum, kurz Population genannt, die ihrerseits direkt das Risiko des Verlusts genetischer Variation – als genetische Drift bezeichnet – bestimmt, sowie der Genfluss, im Sinne der Immigration und Etablierung von Individuen.

Genetische Drift versus Genfluss

Genfluss ist dabei der Gegenspieler der genetischen Drift. Neben den Charakteristika der Populationen selbst, bestimmen eine Vielzahl von Eigenschaften der Arten den Verlauf beziehungsweise die Wahrscheinlichkeit von genetischer Drift und Genfluss. Dazu zählen zum Beispiel die Lebensdauer – populationsgenetisch Generationszeit genannt -, die Ausbreitungsfähigkeit von Samen und Pollen, die Geschlechterverteilung, Saisonalität der Blütezeit und der Samenproduktion, die Wuchsform oder die Überdauerungsfähigkeit der Samen im Boden.

Die hohe Komplexität dieser Systeme bzw. die unterschiedlichen Einflüsse auf die Genetik einer Population lässt sich mit der klassischen Theorie-basierenden Populationsgenetik nicht oder nur ungenügend erfassen. Um die zukünftige Entwicklung der Genetik von Populationen besser beurteilen zu können, wurde eine Computersimulation entwickelt, welche reale Situationen nachstellen und die wesentlichen Populations- und Arteigenschaften als Parameter berücksichtigt. Die Simulation ist als Werkzeug gedacht, das insbesondere in naturschutzfachlichen Bewertungen eingesetzt werden kann. Beispielsweise, welche Maßnahmen gesetzt werden können, um die genetische Diversität isolierter Vorkommen einer Art in einer fragmentierten Landschaft, langfristig erhalten zu können.

© BFW
Abbildung | Schematische Darstellung einer Populationsfragmentierung. Die punktierten Bereiche stellen durch die betrachtete Art besiedelbare Lebensräume dar. Die Symbole sind die Individuen mit den Eigenschaften Größe (proportional Symbolgröße) und genetischer Diversität (Heterozygotie, klassifiziert laut Legende im Kopf der Grafik).


Im fiktiv gewählten Beispiel bildeten die blaue und grüne Population die Ausgangsituation. Die mit der zehnten Generation der Simulation erstmals besiedelte mittlere Fläche (Individuen in Rot) wurde experimentell geschaffen. Die experimentelle Modifikation der ursprünglichen Situation stellt eine beispielhafte Möglichkeit dar, wie die Entwicklung der Genetik der Populationen beeinflusst werden könnte. Die Simulation unterschiedlicher Szenarien erlaubt, mögliche Maßnahmen hinsichtlich ihrer Effektivität zu vergleichen.

Weiterführende Literatur

Dobes Ch., Konrad H., Geburek T. 2017, Potential population genetic consequences of habitat fragmentation in Central European forest trees and associated understorey species – an introductory survey. Diversity 9: doi:10.3390/d9010009