Klimakultur leben
Unter dem Begriff urban forestry will man städtischen Raum grüner und kühler gestalten. Eine kürzlich erschienene BFW-Studie hat Wissen zu diesem Thema sichtbar gemacht.
Wesentlich für die Verbesserung von lokalem Klima ist es, mehr Grünraum zu schaffen: „Pflanzen nehmen das Wasser über ihre Wurzeln aus den Stadtböden auf und verdunsten es über ihre Blätter. Jene Energie, die für den Phasenübergang von Wasser zu Wasserdampf erforderlich ist, wird dem System entzogen und kühlt die Umgebung ab“, sagt die Studienleiterin Cecilie Foldal über diesen in diesem Zusammenhang so wichtigen Prozess.
Bindung von CO2, Feinstaub und giftigen Stickoxiden aus der Luft und Produktion von Sauerstoff: Es ist eine Reihe an positiven Eigenschaften von Bäumen und Sträuchern, die die Lebensqualität von Stadtraum steigern könnte.
„Bäume in der Stadt müssen nicht nur klimafit, stresstolerant und ästhetisch attraktiv sein, sie dürfen auch keine Gefahr für die Bewohner*innen darstellen. In Wien ist es zurzeit der Zürgelbaum, der diesen vielen Anforderungen entspricht.“
Cecilie Foldal, Klima- und Bodenforscherin am BFW
Vielfalt als Überlebensstrategie
Den Zürgelbaum nun flächendeckend zu pflanzen, würde allerdings keinen Sinn machen. Auch wenn es die Meinung gibt, dass Laub, unterschiedliche Blühzeiten und Totholz zur Unordnung in der städtischen Landschaft beitragen, reich strukturierte, mehrstufige Anpflanzungen erhöhen die Vielfalt und fördern die heimische Tierwelt wie Insekten, Vögel und Spinnen. „Ich glaube, die meisten Stadtmenschen sehnen sich nach der Natur und freuen sich über eine Vielfalt an Grün. Oft nimmt man dieses Grün als Infrastruktur gar nicht wahr, sondern sieht immer nur das eine Beet oder den einen Baum“, sagt Cecilie Foldal über die Wahrnehmung von Grünraum in der Stadt.
„Die Vielfalt alleine reicht aber nicht aus, sondern es geht um die Zusammenhänge zwischen den Grünelementen und die Verknüpfung zur Natur im Umland. Das ist für das Klima und die heimische Tierwelt sehr wichtig.“
Cecilie Foldal, Klima- und Bodenforscherin am BFW
Stichwort: Schwammstadt
Der urbane Raum hat nicht nur mit den erhöhten Temperaturen und der reduzierten Artenvielfalt zu kämpfen, sondern auch mit der Versiegelung von Böden. Damit verbunden ist ein verstärkter Wasserabfluss durch die Kanalisation. Ist ein Boden unversiegelt, kann Regenwasser versickern, was den Vorteil hat, die Kanalisation zu entlasten.
Drainage ist wichtig und läuft in Bezug auf Urban Forestry zum Beispiel als Schwammstadt-Prinzip. Was ist damit gemeint? Es ist eine technische Bauweise, die den Abfluss an der Oberfläche reduziert und Stadtbäumen, die ohnehin stresstolerant sein müssen, einen möglichst optimalen Wurzelraum für ihr Gedeihen bietet. Dabei werden Verkehrsnebenflächen in diese Planung einbezogen. Die dafür verwendeten Substratmischungen sind grobkörnig, regional und mineralisch. In Wien gibt es bereits in drei Bezirken Schwammstadt-Projekte, auch in Graz und Linz wurde man dazu bereits tätig.
Grün-Blau-Weiß – ein Szenario
Ein Modell, wie man Klimaanpassung planen kann, weist den drei Konzepten Farben zu. Mit „grüner Stadt“ meint man die Erhöhung des Anteils von Pflanzen, vor allem Bäumen. Bei der „blauen Stadt“ steht die Nutzung von Wasserflächen und Umsetzung des intelligenten Wasserverbrauchs im Vordergrund. Und bei der
„weißen Stadt“ geht es um die Verringerung der Absorption von Sonnenstrahlung durch verstärkte Reflexion, künstliche Beschattung oder Anpassung der Straßen- und Gebäudegeometrie, die die Zirkulation von Luft verbessern.
Die Studie zitiert in diesem Zusammenhang eine Modellierung, die man für die Stadt Klagenfurt gemacht hat. Fazit: Setzt man entsprechende Klimaanpassungsmaßnahmen vor, nimmt die Wärmebelastung ab. Um 20 % verringerte sich die durchschnittliche Anzahl der heißen Tage pro Jahr. Beim Grünen Stadt-Szenario waren es sogar bis zu 27 % – mit zusätzlichen Aufforstungen in der Nähe der Stadt.
Klimakultur – Publikum begeistern
Die Gruppe breathearth collective hat es letztes Jahr eindrucksvoll unter Beweis gestellt: Klimastrategien und Kultur ergänzen sich und bringen das Thema unter die Leute. Das Team, bestehend aus Architekt*innen und Landschaftsplaner*innen, hat einen Sommer lang den Klimapavillon auf dem Grazer Freiheitsplatz prominent platziert und Aktivitäten rund um das Thema Klimawandel und Urban Forestry durchgeführt.
Institutionen wie das MAK–Museum für angewandte Kunst in Wien haben mit der Vienna Biennale letztes Jahr gezeigt, dass auch vonseiten der Kunst Interesse am Wald besteht. Ebenso lädt die Galerie Kahán Art Space immer wieder Künstler*innen ein, die sich mit dem Thema eingehend beschäftigen und dabei den Grünraum in der Umgebung einbeziehen.
Auch die Universität für angewandte Kunst Wien hat sich bereits mit mehreren Aktivitäten zur Notwendigkeit von Klimawandelstrategien bekannt – als Kooperationspartner an der Schnittstelle zu Kunst und Wissenschaft oder als Host für Climate Change Center Austria, das sich als Plattform für Klimaforschung versteht. So setzen sich seit zwei Jahren Kunststudent*innen im Rahmen von ENGAGING mit Kleinwald und Klimawandel in Form von Kurzfilmen auseinander.
Was ist nun wichtig, um das Thema Urban Forestry weiterzubringen? „Wichtig ist, dass man Bürger*innen bei der Gestaltung einbindet. Das könnte über Ideenwettbewerbe, Schulprojekttage oder Führungen in der Nachbarschaft durch Expert*innen laufen. Als Türöffner könnte ein lustiges Maskottchen helfen”, überlegt Cecilie Foldal. Letztlich geht es darum, das Thema für alle greifbar zu machen.
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Links
BFW-Publikation „Die Grüne Stadt aus forstlicher Sicht“