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Naturwaldreservat Potokkessel: Haltet euch fest

Wald und Gebirgsbach im Naturwaldreservat Potokkessel

Durch einen Waldbrand werden die Karten neu gemischt: Einige Pflanzen profitieren, andere werden verdrängt. Eine Begehung im Naturwaldreservat Potokkessel in Südkärnten 23 Jahre nach einem Waldbrand.

Schauplatz des Waldbrandes war der Potokkessel in den Karawanken in Südkärnten, ein zerfurchter Graben mit einem glasklaren Bach, der sich in den Beginn der Trögernerklamm stürzt. Potok kommt aus dem Slowenischen und heißt Bach. Sehr treffend. Hier kommen die vier Elemente Feuer, Wasser, Erde und Luft zusammen.

Infolge eines Blitzschlages entstand am 12. Mai 1998 ein Waldbrand. Die Feuerwehr war recht rasch vor Ort und arbeitete unter erschwerten Bedingungen in diesem kaum zugänglichen Gebiet. Eine 25 bis 30 m breite Schneise wurde geschlagen, dennoch konnte sich der Brand an den steilen Südhängen auf über 20 ha ausdehnen. Das Naturwaldreservat war mit 15 ha betroffen.

Angekohltes Holzstück Potokkessel
Angekohlte Holzstücke sind noch mehrere Jahrzehnte Zeugen des Brandes. Foto: BFW

Reset-Taste gedrückt

Ein Waldbrand drückt auf die Reset-Taste und die einzelnen Pflanzenarten starten neu. Dass es in einem Naturwaldreservat brennt, ist ein sehr seltenes Ereignis. Dies nahm auch das Team des Bundesforschungszentrums für Wald zum Anlass, jährlich die Vegetationsentwicklung zu erheben und zu sehen, welche Dynamiken ablaufen. „Dazu wurden Beobachtungsquadrate bereits im ersten Jahr nach dem Brand eingerichtet. Auf diesen werden die Deckung der Gefäßpflanzen erhoben, Baumkeimlinge eingezeichnet und die Bedeckung des Bodens durch organisches Material abgeschätzt“, erklärt Herfried Steiner, Botaniker am Bundesforschungszentrum für Wald, der schon mehrmals die Vegetationsaufnahmen durchgeführt hat.

Während die dickborkigen Wald-und Schwarzkiefern an Orten mäßiger Brandintensität häufig überlebten, wurden Laubgehölze wie Mehlbeere und Felsenbirne im Brandbereich konsequent geschädigt. Für die bis dato dominante Schneeheide ist das Ausmaß der Zerstörung extrem. Die Steilheit des Geländes im Potokkessel verschärft die Situation für die Vegetation. Die mittlere Hangneigung beträgt im Untersuchungsgebiet 84 %. Da heißt es, sich anzuhalten, sowohl für die Erhebungstrupps als auch für die Samen, Wurzeln und Pflanzen.

Teppiche aus Zypressen-Wolfsmilch

Bereits in den ersten Jahren nach dem Brand etablierten sich sogenannte Pionierpflanzen. Sie sind lichtbedürftig und können sich rasch auf vegetationsfreien Flächen ausbreiten. Im Laufe der Zeit werden sie aber von konkurrenzstärkeren Arten überwachsen und verdrängt. Bereits im ersten Jahr breitete sich die Zypressenblättrige Wolfsmilch massenhaft aus. Sie hat Wurzelknospen im Boden und besticht als so genannte Wurzelkriechpionierin. Diese Wolfsmilchart wurzelt bis 60 cm tief und kann so recht gut im Boden überdauern, während darüber das Feuer auf der Fläche wütet.

„Eine weitere Gewinnerin ist die Erd-Segge, die auf vielen Flächen zur neuen dominanten Art wurde“, ergänzt der Pflanzenspezialist Steiner. Sie ist eine ausdauernde, grasartige Pflanze, die dichte Horste bildet und bis zu 40 cm wurzelt. Ideal zum Festhalten im Steilhang. Viele ausdauernde Arten wie Flaum-Steinröschen, Königskerze, Haarstrang-Laserkraut und Kalk-Blaugras lösten in den ersten Jahren die fehlende Schneeheide ab.

Schneeheide holt wieder auf

23 Jahre ist es her, dass es gebrannt hat. Bei der Begehung fällt auf, dass die Schneeheide langsam und kontinuierlich zurückkommt. Normalerweise ist sie die bestimmende Art, die gemeinsam mit einem dichten Grasteppich die Naturverjüngung der Baumarten und Sträucher verhindert. In den von Bodenbrand betroffenen Bereichen nimmt sie Fläche um Fläche wieder ein. Auf einer hangabwärts gelegten Brandschneise lässt sich schön erkennen, wie sich im oberen Bereich bereits Kiefern-Jungbäume etablieren, Gräser und Pflanzen wieder den Boden stabilisieren.

„Die vollständige Wiederbewaldung der Brandschneise dürfte noch länger dauern. Bei Naturwaldreservaten sollten wir uns die Zeit auch nehmen.“

Herfried Steiner, Botaniker, Institut für Waldbiodiversität und Naturschutz am BFW

Hitze und Frost setzen den Keimlingen zu; Schalenwild, Vögel und Mäuse reduzieren weiter den erfolgreichen Aufwuchs. Unter den extremen Standortsbedingungen wird die Qualität des Kleinstandortes für die Wiederbewaldung entscheidend. Nur die Naturverjüngung findet hier die optimalen Kleinstandorte – vorausgesetzt der Schalenwildbestand passt. Und Starkregen kann die Wurzeln wieder freilegen und Feinerde abschwemmen. Hinunter in diesen zerfurchten Graben mit dem glasklaren Potok.

Naturwaldreservat Potokkessel

Das Naturwaldreservat Potokkessel liegt im südöstlichen Teil der Karawanken der südlichen Kalkalpen, westlich der Trögenerklamm. An den Südhängen des Zwölferkogels befinden sich die Brand- und Untersuchungsflächen, die sich in einem Gebiet zwischen 800 m bis 1260 m Seehöhe erstrecken. Das Naturwaldreservat ist 76 ha groß, 15 ha davon waren vom Brand betroffen.

Außernutzung gestellt: Naturwaldreservate

Naturwaldreservate werden außer Nutzung gestellt und sind Waldflächen, die für die natürliche Entwicklung des Ökosystems Wald bestimmt sind und so zur biologischen Diversität beitragen. Sie haben unter anderem die Aufgabe, die natürliche Entwicklung der Pflanzengemeinschaften hinsichtlich ihrer Artenzusammensetzung und Struktur zu ermöglichen und die Vielfalt an Waldgesellschaften zu repräsentieren. Das Netzwerk umfasst 192 Naturwaldreservate mit aktuell 8631 Hektar (Stand: Mai 2022) Gesamtfläche. www.naturwaldreservate.at