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Von der Rettung der forstlichen Vielfalt

Im Versuchsgarten des BFW in Tulln stehen tausende junge Bäume in langen Reihen wohl geordnet nebeneinander. Hier wird auch eine Baumart gerettet und ein ganz besonderer Schatz bewahrt.

Der Versuchsgarten des BFW in Tulln ist Heino Konrads und Gregor Ungers Arbeitsplatz. Etwa alle zwei Wochen fährt Heino Konrad, Leiter der Abteilung „Ökologische Genetik und Biodiversität“ des BFW, vom Büro in Wien Hietzing in den Versuchsgarten nach Tulln. Auf dem 7,5 Hektar großen Gelände wachsen kleine Pappeln, Weiden, Schwarz- und Hybridnüsse, Baumhaseln und mittelhohe Lärchen, Fichten und Spirken im Dienste der Wissenschaft. Heute – an einem warmen Frühlingstag im April – will er anstehende Arbeiten mit seinem Kollegen Gregor Unger und dem Team des Versuchsgartens besprechen.

„Hier wachsen insgesamt etwa 75.000 Bäume. Wir ziehen die Bäume fast ausschließlich zu Forschungswecken. Nutznießer dieser Arbeiten soll letztendlich die Praxis sein“, erzählt Konrad und blickt zu den rund 33.500 Eschen, die hier für das Projekt „Esche in Not“ angezogen werden. Diese Bäume sind Nachkommen von nicht oder gering geschädigten Eschen aus stark befallenen Waldbeständen und werden auf ihre Toleranz gegenüber dem Erreger des gefährlichen Triebsterbens beobachtet.

Rettung einer Baumart

Unger, der in dem Projekt mit der praktischen Planung und Umsetzung betraut ist, kommt aus einem der beiden Gebäude und begrüßt seinen Kollegen mit einem Lächeln. Die beiden Wissenschaftler wollen sich auf den Versuchsflächen einen Eindruck verschaffen, wie stark sich die Krankheit bereits ausgebreitet hat und welche Arbeiten in den folgenden Wochen zu erledigen sind. Als nächstes soll der Befall jeder einzelnen Esche dokumentiert werden. Das Team vom BFW versucht in dieser Initiative gemeinsam mit den Kollegen der Universität für Bodenkultur die Baumart zu retten. Mittlerweile sind im Versuchsgarten drei Flächen angelegt, auf denen jede einzelne Pflanze hinsichtlich ihrer Toleranz gegenüber der Pilzkrankheit beobachtet wird.
Der Pilz „Falsches weißes Stengelbecherchen“ setzt der Gemeinen Esche in Europa seit nunmehr über 25 Jahren schwer zu und stellt ein gravierendes Problem für die Forst- und Holzwirtschaft sowie den Naturschutz dar. Herkömmliche Forstschutzmaßnahmen und waldbauliches Management bieten keine Möglichkeiten zur Bekämpfung des Eschentriebsterbens, sodass künftig weiter mit einem deutlichen Rückgang der Baumart sowie deren Bedeutung in Österreichs Wäldern gerechnet werden muss.

Unger blickt dennoch zuversichtlich in die Zukunft: „Wir sind auf einem guten Weg. Für endgültige Ergebnisse ist es aber derzeit noch zu früh. Mittelfristig sollen Samenplantagen mit hoch toleranten Eschen begründet werden, die in 15 bis 20 Jahren erstes Saatgut liefern können. Zur Überbrückung sollen mithilfe von Stecklingen Klone der forstlichen Praxis zur Verfügung gestellt werden.

Waldforschung in der Au

Dass der Versuchsgarten am Ran­de der Donauauen auf nicht einmal 200 Meter über dem Meeresspiegel liegt, tut der Waldforschung keinen Abbruch. „Zwei Mal sind wir schon überschwemmt worden, aber jetzt sind wir vorbereitet“, sagt Konrad. Biber seien kein Problem, immerhin haben die Nagetiere in der Au genug Platz. Manchmal kämen aber Wildschweine auf das Areal, sehr zum Missfallen der Gärtner, die deren Spuren dann wieder beseitigen und den Zaun reparieren müssen.

Konrad streicht über einen Ast mit saftig grünen Nadeln. „Diese veredelten Lärchen sind jetzt drei Jahre alt. Sie sind das Endprodukt des Projektes Lärche XXL“, erzählt der Waldgenetiker. Nur die schönsten und besten Lärchen haben die Wissenschaftler dafür in den österreichischen Wäldern ausgewählt. Von diesen Mutterbäumen wurden Samen geerntet und Nachkommen gezogen. Von denen sind wieder nur die Schönsten und Besten ausgelesen und in Tulln gepflanzt worden. Aus diesem Grundstock an „Elitepflanzen“ werden in Zukunft Forstpflanzen für Samenplantagen bereitgestellt, um Forstbetrieben sowie Waldbesitzern widerstandsfähige und leistungsstarke Lärchen anbieten zu können. Neben den Lärchen wachsen etwa 12.000 Jungtannen, die nach einem ähnlichen Prinzip ausgewählt wurden. Das Saatgut stammt von 25 verschiedenen Orten aus fünf Ländern. „Die Unsicherheit unter den Waldbesitzerinnen ist aufgrund der Klimaveränderung groß. Viele wissen nicht, was sie in ihrem Wald langfristig mit möglichst wenig Risiko setzen können. Das BFW gibt Empfehlungen, welche Baumarten für welches Gebiet geeignet sind“, erklärt Konrad die Intention dieser Forschungsarbeiten.

Auch das Projekt APPLAUS beschäftig sich mit einer Baumart, die als Hoffnung für Alternativen im Klimawandel gilt – dem Spitzahorn. Diese seltene Baumart hält wesentlich mehr Trockenheit aus als der gängige Bergahorn und er wächst auch im Auwald besser. Konrad rechnet damit, dass die Bedeutung dieser Baumart in Zukunft steigen wird. Deshalb plant das BFW die Anlage einer Spitzahorn-Plantage, über die eine Versorgung mit Saatgut von hochwertiger genetischer Qualität gesichert wäre.

Garteln im großen Stil

Neben den Forschungsprojekten werden in Tulln auch sogenannte Lohnanzuchten durchgeführt. Das bedeutet, dass der Versuchsgarten das Saatgut von Waldbesitzerinnen übernimmt und sich um die professionelle Aufzucht der Bäume kümmert. Auf diese Weise werden auch die Techniken ständig weiterentwickelt. So werden beispielsweise Eschen und Schwarzpappeln für den Nationalpark Donauauen gezogen.

„Die vier ständigen Mitarbeiter halten den Laden am Laufen. Sie werden in der Vegetationszeit von zwei Saisonarbeitern unterstützt“, führt Konrad an und zählt die Aufgaben der Kolleginnen auf:
„Die Arbeiten unterscheiden sich nicht so sehr von jenen im eigenen Garten, nur spielt sich bei uns alles auf einer viel größeren Fläche mit viel mehr Pflanzen ab. Bei den jungen Bäumen muss das Beikraut entfernt werden, damit es den Setzlingen nicht die Nährstoffe wegnimmt und diese einen guten Start haben. Veredeln, die Betreuung der Anzuchten und Aussaaten oder das fachgerechte Schneiden von Steckhölzern verlangt fundiertes Know-how. Und schließlich gehört auch die Arealpflege dazu, also Rasen mähen und die Wartung der Maschinen.“
Von diesen Aufgaben hätte sich im Prinzip seit der Gründung der Anlage nicht viel geändert, fügt Konrad hinzu.

Der Versuchsgarten wurde 1949 in der Tullner Au auf einer Pachtfläche der Gemeinde Tulln als „Forstgarten für Weichlaubholzzüchtung“ begründet. Im Jahr 1968 erfolgte der Ankauf des Geländes und seit 1970 wird es in der aktuellen Form bewirtschaftet. Die wenigen Gebäude auf dem riesigen Grundstück sind ein Gärtnerhaus, eine Geräte- und eine Kühlhalle sowie zwei Folientunnel. Die Erneuerung des Gärtnerhauses steht im nächsten Jahr an. Konrad steckt einen großen Schlüssel in das Schloss einer schweren Holztür und öffnet das Kühlhaus. Hier ist die forstliche Samenbank untergebracht, für den Waldgenetiker eine der wichtigsten Bereiche des Versuchsgartens.

„Die Erhaltung der genetischen Vielfalt ist von großer Bedeutung. Die verschiedenen Arten von Saatgut haben unterschiedliche Lebensdauern und Voraussetzungen zur Lagerung. Das meiste davon stammt aus den Bundesplantagen, die wir auch in unserer Abteilung managen. Dieses Archiv trägt zur Erhaltung genetischer Ressourcen vieler Baumarten bei und muss ständig gepflegt und erneuert werden“, sagt Konrad und schließt die Türe schnell, um diesen wertvollen Schatz wieder sicher verwahrt zu wissen.