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Zurück in die Zukunft des Waldes

Portraitaufnahme Seckendorff Gudent

150 Jahre forstwirtschaftliche Forschung am Bundesforschungszentrum für Wald (BFW): Welche Pfade und Wegkreuzungen sind in dieser Zeit begangen worden?

1868 und 1870 waren verheerende Jahre für den Wald in Österreich. Stürme fegten über das Land und schädigten große Teile des Waldes. Der Befall durch Borkenkäfer ließ nicht lange auf sich warten. Dass Wald ein sensitives Ökosystem ist und der uns neben den vielen positiven Eigenschaften wie etwa Erholung und Wohlfahrt auch vor Naturgefahren schützt, dem war sich bereits der Laie und Bürgermeister Mödlings Josef Schöffel bewusst. Er verteidigte mithilfe einer Pressekampagne den Wienerwald gegen den Verkauf an Spekulanten und rettete somit den größten Naherholungswald in der damaligen Kaiserstadt.

Die Staatsforste sind ab diesem Zeitpunkt nicht mehr dem Finanzministerium zugeordnet, sondern dem Ackerbauministerium, Vorläufer des heutigen Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft. Die Weltausstellung mit den Schwerpunkten Industrialisierung in der Agrarwirtschaft und Mobilität, die von Mai bis November 1873 in Wien stattfand und mitten in eine Weltwirtschaftskrise fiel, hielt Kaiser Franz Joseph I. nicht davon ab, die Finanzierung für ein umfassendes forstliches Versuchsprogramm zu genehmigen: 23.000 Gulden, umgerechnet 320.000 Euro.

Der Nachschub von hochwertigen Waldsamen, Forstpflanzen und dem so wichtigen Rohstoff Holz musste gewährleistet und auch mit allen Mitteln der Wissenschaft erforscht werden. Bemühungen seitens der Forstbranche gab es schon seit einiger Zeit, das Versuchswesen an die Forstakademie in Mariabrunn zu bringen. Bis dato scheiterte es an Zugeständnissen.

1872 eröffnete die Universität für Bodenkultur. Mit dem aus Basel stammenden, international vernetzten Arthur Freiherr von Seckendorff-Gudent als ersten Leiter der k.k. Versuchsleitung Mariabrunn legte man los – nur unter der Bedingung, mit den an der BOKU tätigen Beamten gleichgestellt zu werden. 1874 wollte man vom Zentrum aus die forstlichen Geschicke leiten und zog in ein Büro in der Traungasse 2 im dritten Wiener Gemeindebezirk. Wenig später gab es noch eine Zwischenstation in der Tulpengasse, hinter dem Rathaus, das zu dieser Zeit unter dem Bürgermeister und Entomologen Cajetan von Felder noch eine Baustelle war. Schließlich zog 1887 die Versuchsleitung nach Mariabrunn, nachdem die treibende wissenschaftliche Kraft Seckendorff-Gudent mit nur 41 Jahren starb.

„Das BFW ist seit 150 Jahren im Namen der angewandten Forschung mit dem Anspruch auf Nachhaltigkeit tätig. Es leistet damit einen wesentlichen Beitrag für die heimischen Wälder, für deren vielfältige Wirkungen und für alle, die davon profitieren. Damals wie heute und auch in Zukunft gilt: Österreichs Wälder sind unverzichtbar für unsere Lebensqualität, sei es als Schutz vor Naturgefahren, als Erholungs- und Lebensraum, als Rohstofflieferant, als Arbeitsplatz und als Verbündeter in der Klimakrise.“

Bundesminister Norbert Totschnig über die Geschichte und Bedeutung des Bundesforschungszentrums für Wald (BFW)

Frühe Arbeiten und Teamspirit

Seckendorff-Gudent veröffentlichte gemeinsam mit Mitstreitern ab 1877 die ersten wissenschaftlichen Beiträge in den „Mittheilungen aus dem forstlichen Versuchswesen Oesterreichs“. Die Messung von Jahresringen und wie man auf das Alter, Klima und Bewirtschaftungsmethoden Rückschlüsse ziehen könnte, interessierte ihn, bevor der US-Wissenschaftler Andrew Ellicot Douglass die Dendrochronologie wenig später begründete.

Auch das forsttechnische System und den forsttechnischen Dienst der Wildbach- und Lawinenverbauung nach französischem Vorbild hat er maßgeblich mitbegründet, um den drängenden Aufgaben der Naturgefahren gerecht zu werden. Kürzungen von Forschungsgeldern und wiederholte Aufrufe an Großwaldbesitzende, finanzielle Mittel und Flächen zur Verfügung zu stellen, streuten zwar Sand ins Getriebe der Versuchsanstalt, ließen jedoch eine forstliche Gemeinschaft entstehen, deren Spirit noch heute zu spüren ist.

Weitere wichtige Forschungsaufgaben waren die Forstproduktion mit der Waldsamenkontrollstation, Aufforstung, Pflanzenphysiologie (Botanik) und Klimatologie. Ein Netz an Wetterstationen überzog die gesamte Donaumonarchie. Auch die Bevölkerung von Mariabrunn hatte einen direkten Vorteil von der Forschung hinter den Klostermauern im heutigen 14. Gemeindebezirk (Anm.: Hadersdorf-Weidlingau kam erst 1938 zu Groß-Wien).

Sie wurden täglich über das bevorstehende Wetter mit verschiedenen Fahnensymbolen informiert. Man setzte damals schon auf visuelle Kommunikation und nutzte bereits die in den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts erfundene Fotografie. So etwa der Forstadjunkt Carl Böhmerle, der damit die Versuchsflächen dokumentierte. Es entstanden prachtvolle Fotobände, die mit verschiedenen Formeln versehen wurden. Sie sind heute noch in der Bibliothek des BFW archiviert.

Die Jahre vergehen. Ein Zeitraffer

Josef Friedrich übernahm von 1888 bis 1908 die Leitung der Forstlichen Versuchsanstalt Mariabrunn. Das forstliche Versuchswesen in Österreich wird mit ihm noch internationaler. Die International Union of Forest Research Organizations (IUFRO) wurde in der „Waldstadt“ Eberswalde nahe Berlin 1892 gegründet, das BFW ist seit den Anfängen Mitglied. Mariabrunn hatte zu dieser Zeit sechs wissenschaftlich tätige Beamte. Sektionen wurden gegründet, Vorläufer der heutigen Institute, um die Organisation auch strukturell zu gestalten.

Frau sitzt vor Geräten der Waldinventur
Analoges 3D-Verfahren. Mit der Triangulation wurden im Bereich der Forstinventur Daten zum österreichischen Wald optisch vermessen. Nach erfolgreicher Waldstandsaufnahme von 1952-56 wurde die Messtechnik ab 1957 laufend den Anforderungen angepasst. Foto: BFW

Eine dieser Sektionen setzte sich unter Gabriel Janka mit der Holztechnologie auseinander. Das Experimentieren mit der Härte von Holz hatte für den Holzmarkt besondere Bedeutung. Es war auch die einzige Abteilung, die während des 1. Weltkrieges weiterarbeiten konnte, weil die bisherige zivile Forschung nun für militärische Zwecke genutzt wurde. Die schwere Krise nach dem 1. Weltkrieg machte sich auch in Mariabrunn bemerkbar. Die Schließung stand im Raum. Dank des Aufrufes von Forstleuten konnte sie verhindert werden. Nach einer kurzen Entspannungsphase und dem Aufbau des renommierten Arboretums im Mariabrunn unter Heinrich Melzer kam der 2. Weltkrieg: Die Männer wurden eingezogen. 1942 bestimmte man gemeinsam mit der Bevölkerung Waldpilze und gewann Ahornzucker, um der Hungersnot zu entgehen.

Ein Aufbruch für den Wald

1951 erhielt die Schlosshauptmannschaft Schönbrunn den Auftrag für die Planung und Errichtung eines neuen Anstaltsgebäudes. Die Mittel kamen aus dem Marshall-Plan und sollten Österreich dabei helfen, den Wirtschaftsaufschwung mit der Forstwirtschaft voranzutreiben. Moderne Labore wurden gebaut, die Ausstattung der für die Bemessung des Holzvorrates so wichtigen Fernerkundung war technisch am neuesten Stand. 1957 schließlich wurde die Forstinventur nach erfolgreicher Waldstandsaufnahme von 1952-56 gegründet.

Drohnenaufnahme BFW Schönbrunn
Standort Schönbrunn des BFW. Foto: BFW / Florian Winter

Nach den schweren Lawinenkatastrophen in den Jahren 1951 und 1954 wurde auch die subalpine Waldforschung immer wichtiger. Der Zusammenhang von Entwaldung und Naturgefahren war wieder bestätigt worden, Hochlagenaufforstungen wurden intensiviert. Von 1957-60 wurde das Klimahaus auf dem Patscherkofel erbaut mit dem Ziel, klimatische Versuche an Hochgebirgsbaumarten durchzuführen. Schließlich wurde die Außenstelle für subalpine Waldforschung an das BFW gegliedert. 1985 erfolgte der Umzug des Instituts Naturgefahren in die Innsbrucker Hofburg. Die Lawinen- und Naturgefahrenforschung setzt damit ein kräftiges Lebenszeichen.

BFW & Antworten der Zeit

Der EU-Beitritt Österreichs 1995 war auch für die Waldforschung ein Meilenstein. Die europaweite Vernetzung mit Fachkräften wurde wesentlich erleichtert. Gemeinsame Forschungsvorhaben erforderten eine Harmonisierung der Systeme, die bis heute andauern (siehe Lichtung 12). Europa, die Länder mit ihren Organisationen und Standorten entwickeln und verändern sich. Ein ständiger Begleiter ist der Klimawandel, unter dessen Prämisse die Waldforschung von Menschen für Menschen betrieben wird.

„Ein Blick auf die Vergangenheit zeigt, dass es viele Persönlichkeiten an unserer Organisation gab, die sich mit voller Kraft der Erforschung des Waldes gewidmet haben. Sie haben das Fundament dafür gelegt, dass sich unsere Expertise auf die Erhaltung der vielen wichtigen Leistungen und auf den Wald der Zukunft fokussieren kann. Dabei gibt es viele Rädchen, die ineinander greifen müssen, um das Wissen über den Wald für die Gesellschaft zur Verfügung stellen zu können. Mit den vielfältigen Aufgaben, die in den letzten Jahrzehnten gewachsen sind, trägt die gesamte BFW-Belegschaft zu diesem Erfolg bei. “

Peter Mayer, Leiter des Bundesforschungszentrums für Wald (BFW)

„Das Engagement und die Zivilcourage der Forstleute von damals, die durch ihr Eintreten für die Erhaltung von Forschung und Entwicklung die Schließung der Forstlichen Versuchsanstalt Mariabrunn verhindert haben, könnte denjenigen Mut machen, die heute angesichts einer Zukunft, die unter dem Aspekt des Klimawandels als wenig berechenbar erscheint, die Hoffnung aufgegeben haben, selbst etwas bewirken zu können.“

Elisabeth Johann, Forstwirtin und Leiterin des Fachausschusses Forstgeschichte im Österreichischen Forstverein

Wissen zum Vertiefen

IUFRO-Website: www.iufro.org
Historische Literatur- und Dokumentensuche: www.zobodat.at

Lichtung 13 als Download (PDF)