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Der letzte Sommer war sehr schön

Landschaft mit Bank im Vordergrund

Pappelstecklinge „merken“ sich das Wetter an ihrem Ursprungsort. Dieses Ergebnis eines belgischen Forscherteams unter BFW-Beteiligung fand Eingang in das Wissenschaftsmagazin Frontiers in Plant Science.

Trübe Novembertage lassen uns gerne an den Sommerurlaub zurückdenken. Die Ergebnisse aus einem Experiment mit Pappelstecklingen lassen fast die Vermutung aufkommen, dass es Pflanzen genauso geht.

Die Säulen- oder Pyramidenpappel ist in den gemäßigten Klimazonen sehr häufig anzutreffen, auch in den außeralpinen Gegenden in Österreich und gelegentlich sogar in manchen Alpentälern. Es handelt sich um einen Klon – das sind genetisch identische Pflanzen -, die durch Steckholzbewurzelung vermehrt werden.

Stecklinge aus verschiedenen Klimazonen zeigen ein „Langzeitgedächtnis“ an das Klima des Wuchsortes durch unterschiedlichen Wachstumsverlauf.

Wie schafft es diese Pflanze, ohne großes Reservoir an genetischer Vielfalt, sich an die verschiedenen Klimazonen anzupassen? Eine Forschergruppe unter der Leitung von An Vanden Broeck in Geraardsbergen/Belgien hat unter Mitwirkung von Berthold Heinze vom Bundesforschungszentrum für Wald (BFW) sich aus ganz Europa Steckhölzer schicken lassen, in einem Glashaus bewurzelt, und eine Saison lang beobachtet und analysiert. Es gibt die Vermutung, dass die Pflanzen verschiedene Gene und Gengruppen „markieren“, das heißt auf längere Dauer an- oder abschalten können, je nachdem, ob sie an dem Standort vorteilhaft sind oder nicht.

Die Forscher beobachteten den Wachstumsverlauf der Stecklinge vom Austrieb und der Bewurzelung bis zum Knospenabschluss im Herbst. Dabei zeigte sich, dass Stecklinge aus wärmeren Gegenden länger weiterwuchsen und erst später in Winterruhe gingen, ganz so, als ob sie noch in südlichen Gefilden wären. Dieser Effekt war unabhängig von Unterschieden im Ernährungszustand oder in der Größe der Steckhölzer. Differenzen wurden auch in den genetischen „Markierungen“ einiger zufällig ausgewählter Gene gefunden. Diese konnten aber noch nicht in einen ursächlichen Zusammenhang mit dem veränderten Wachstumsverhalten gebracht werden.

Strategien der Anpassung

Manche Obst- oder Weinsorten zeigen ein ähnlich breites Spektrum an Strategien, andere wieder sind an eine spezielle Klimazone oder an bestimmte Bodenbedingungen justiert und vertragen es nicht so gut, wenn sie woanders angebaut werden. Man bezeichnet es als „plastisch“, wenn sich diese Sorten leicht anpassen können. Worauf diese Plastizität einer einzelnen, genetisch einheitlichen Sorte zurückgeht, darüber gibt es einige Theorien. Möglicherweise hilft es, wenn zwei sehr unterschiedliche Chromosomensätze vorhanden sind. Diese können zum Beispiel durch die Kreuzung zweier Pflanzen aus weit entfernten Gegenden zusammen kommen. Die längerfristige Aktivierung oder Deaktivierung von Gengruppen, wie sie in diesen Versuchen gezeigt werden konnte, könnte ebenfalls beteiligt sein.

In Folgeuntersuchungen wurden nun die Steckhölzer auch im Versuchsgarten Tulln des BFW angebaut und weiter beobachtet. „Damit soll das Schicksal dieser angepassten Linien in verschiedenen Klimagebieten verfolgt werden“, erklärt Berthold Heinze vom Institut für Waldgenetik des BFW. Weitere Aufschlüsse erwarten sich die Forscher auch aus der Sequenzierung von Genen. Damit wird man vielleicht feststellen können, wie lange sich die „Erinnerung“ an vergangene Tage in den Pflanzen hält.

Originalartikel:
Vanden Broeck A, Cox K, Brys R, Castiglione S, Cicatelli A, Guarino F, Heinze B, Steenackers M and Vander Mijnsbrugge K (2018): Variability in DNA Methylation and Generational Plasticity in the Lombardy Poplar, a Single Genotype Worldwide Distributed Since the EighteenthCentury. Front. Plant Sci. 9:1635. doi: 10.3389/fpls.2018.01635