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Wildbachmonitoring: Ursachenforschung und Prävention

„Teile von Lavamünd evakuiert“ so titelte ein Artikel in der Kleinen Zeitung/Kärnten, und im Text: „Ein Jahrhunderthochwasser überflutete am Montag das gesamte Ortszentrum von Lavamünd“.

Grund des Artikels: Die Drau war am 5.11.2012 über die Ufer getreten und hatte verheerende Schäden angerichtet (in ORF/Kärnten kolportierte Schadenssumme: 6 Mio. Euro). Wie so oft nach Hochwasserereignissen, wurde sofort die Frage nach Schuldigen aufgeworfen und frei nach Gefühl auch Schuld zugewiesen.

Anhand von Daten aus dem BFW-Monitoringgebiet Oselitzenbach, einem zum Flusseinzugsgebiet der Drau gehörenden Wildbach, lässt sich die Problematik der Hochwasservorhersage im Herbst/Winter anschaulich darstellen.

Hochwasserereignis im Wildbacheinzugsgebiet Oselitzenbach/Gailtal

Am 5.11.2012 verzeichnete die Abflussmessstation des BFW um 04:10h den Durchgang einer Hochwasserspitze, die die Größenordnung eines 100-jährlichen Ereignisses erreichte. Aus der Höhe der Niederschläge allein wäre ein Ereignis dieser Dimension nicht zu erwarten gewesen. Extreme Temperaturschwankungen – von einbrechender Kaltluft bis hin zu starkem Föhn – spielten vielmehr das Zünglein an der Waage.

Auslöseursachen – harte Fakten

Dem Tag des Extremereignisses gingen wiederholte Niederschläge voraus, die sich innerhalb eines Monats an der Basisklimamessstation „Pumpenhaus“ (Seehöhe 980 m) auf 341 mm und an der Station Tressdorfer Alm (Seehöhe 1595 m) auf 383 mm summierten. Damit stellen die Vorniederschläge zwar hohe, aber keine absoluten Spitzenwerte in den Aufzeichnungen für das Gebiet dar.

Die maximale Monatssumme an der Station Tressdorfer Alm liegt bei 566 mm. Das absolute Maximum der Monatsniederschlagssummen wurde bisher an der Station Pumpenhaus mit 704 mm verzeichnet.

Abbildung 2: Tagesmittelwerte der Temperatur und Schneehöhe an der Station Tressdorfer Alm (SH 1595m) im Vorfeld des Hochwasserereignisses am 5.11.2012

Auch die unmittelbar dem Hochwasserereignis zuordenbare Niederschlagssumme stellt keinen absoluten Spitzenwert dar. Addiert man den Niederschlag des Vortages zum Niederschlag am Ereignistag bis 4 h früh (also bis 10 min vor dem Spitzendurchgang), ergibt sich lediglich eine Niederschlagssumme von 111 mm an der Station Tressdorfer Alm. Dieser Wert ist ausgesprochen niedrig im Vergleich zur bisher an dieser Messstelle festgestellten maximalen Tagessumme von 253 mm.

Lösung des Rätsels: Temperatur und Schneemenge

Einströmende kalte Luft führte am Abend des 27.10.2012 zum Übergang der Niederschläge von Regen zu Schnee, und im weiteren Verlauf zum Aufbau einer nennenswerten Schneedecke, wie die Messungen in einer Seehöhe von rund 1600 m zeigen (höchste Erhebung ist der „Trogkofel“ mit einer Seehöhe von 2280 m). Von 27.10. bis 1.11.2012 – summierten sich die Niederschläge an der Station Tressdorfer Alm auf beinahe 170 mm. Die maximale Schneehöhe an dieser Station wurde mit 51 cm am 1.11.2012 verzeichnet.

Im Lauf dieses Tages erreichte die Temperatur wieder den positiven Bereich, wodurch die Schneedecke reifte (die Schneemetamorphose einsetzte) und schließlich auszufließen begann. Besonders heftig fielen der Temperaturanstieg, und damit auch die Schneeschmelze, in der Nacht von 4.11. auf 5.11.2012 aus. Das Maximum der Lufttemperatur wurde dabei am 5.11.2012 um 6h früh mit 10,1oC erreicht. Die Schneedecke schmolz bis 4h früh bis auf 6cm Höhe ab! Gleichzeitig wurden in den letzten Stunden vor dem Hochwasserspitzendurchgang auch die höchsten Regenintensitäten verzeichnet.

Abbildung 1: Wasserstandsganglinie und Niederschlagssummenlinie (Tressdorfer Alm)
Abbildung 1: Wasserstandsganglinie und Niederschlagssummenlinie (Tressdorfer Alm) im direkten Vergleich

Hochwasserereignis unterstreicht Bedeutung von Monitoringsystemen

Auslöser für das Hochwasserereignis am 5.11.2012 am Oselitzenbach waren somit die außergewöhnlich rasche Freisetzung beachtlicher, in der Schneedecke zwischengespeicherter Niederschlagsmengen (hervorgerufen durch einen plötzlichen Warmwettereinbruch) begleitet von neuerlichen flüssigen Niederschlägen, die in die Schneedecke fielen. Diese Niederschläge erreichten ihre höchste Intensität in der intensivsten Schneeschmelzphase bzw. beschleunigten diese.

Im Gegensatz zu Hochwasserereignissen im Frühjahr wurde dem Einfluss der Schneeschmelze im Herbst bisher wenig Aufmerksamkeit gewidmet. Im Zuge des Klimawandels sollte diesem Aspekt in Hochwasserprognosemodellen verstärkt Beachtung geschenkt werden. Bei Bemessungsaufgaben im Bereich des Hochwasserschutzes ist in diesem Zusammenhang zu untersuchen, inwieweit die Szenarien für Bemessungsereignisse noch zutreffend sind, bzw. inwiefern es zur Verschiebung oder Ausweitung des Zeitfensters kommt, in welchem mit dem Auftreten eines Bemessungsereignisses zu rechnen ist.

Es sind daher sowohl das Ereignis vom 5.11.2012, als auch weitere – im Rahmen des Wildbachmonitorings gut dokumentierte Ereignisse, Gegenstand detaillierter Untersuchungen und Analysen am Institut für Naturgefahren des BFW.