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Neue EU-Politiken mit Waldrelevanz – Alles Gute kommt von oben?

Foto: Philipp Ditfurth

Daniela Kleinschmit, Professorin für Forst- und Umweltpolitik an der Universität Freiburg, schreibt in ihrem Kommentar, wie die neuen Initiativen zur Waldpolitik das Verhältnis der EU zu den Mitgliedsstaaten gestalten.

Gerade in festlichen Zeiten fragte man sich, ob es sich bei den erhaltenen Präsenten vielleicht um Danaergeschenke handelt, eine Gabe, die nicht dankbar stimmt, sondern sich als unheilvoll erweisen könnte. Eine ähnliche Frage mag sich mancher gestellt haben, als die EU im zweiten Halbjahr des Jahres 2023 neue Initiativen mit Auswirkungen auf die Waldpolitik in den Mitgliedsstaaten auf den Weg gebracht hat. Dazu zählt das nach erfolgreich abgeschlossenen Trilogverhandlungen und zur finalen Abstimmung vorgelegte EU-Renaturierungsgesetz und der Vorschlag der EU-Kommission für ein Gesetz zum Waldmonitoring.

Darüber hinaus hat sich in diesem Jahr auch etwas in der EU-Handelspolitik getan, was nicht ohne Auswirkungen für die Waldakteure bleibt. Die EU-Entwaldungsverordnung (EUDR) wurde verabschiedet und ist Ende Juni in Kraft getreten. Neben Rundholz und Holzprodukten, deren Einfuhr in die EU zuvor über die europäische Holzhandelsverordnung geregelt wurde, unterliegen nun weitere Güter wie zum Beispiel Palmöl, Soja, Rinder, Kaffee und Kakao, die auf den EU-Markt gebracht oder aus der EU ausgeführt werden, einem Sorgfaltspflichtsystem. Dieses muss belegen, dass sie auf Flächen erzeugt wurden, die nach dem 31.12.2020 nicht von Entwaldung oder Walddegradation betroffen waren.

Trend zum Regionalen erkennbar

All die genannten Initiativen haben gemeinsam, dass sie Antworten auf die zunehmenden globalen Herausforderungen zu liefern versuchen, denen die Gesellschaft, die Ökosysteme und mit ihnen auch der Wald ausgesetzt sind. Klimawandel, der weltweite Artenverlust und die global voranschreitende Entwaldung sind lange bekannte Probleme mit weitreichenden Auswirkungen auf die europäischen, aber auch globalen Wälder. Die vielzähligen Politiken, die sich von der internationalen bis zur regionalen Ebene diesen Themen gewidmet haben, sind bisher, mit Ausnahmen, wenig erfolgreich.

Aus diesem Grund ist es verständlich, sich seitens der EU diesen Problemen zu widmen. Und damit steht sie nicht alleine da. International gibt es einen Trend zum Regionalen, auch in den Bereichen Umwelt- und Waldpolitik. Diese verfolgen unter anderem das Ziel, international fehlende oder zahnlose Politiken zu kompensieren oder international bestehende Abkommen umzusetzen. Trotz einiger Erfolge gestaltet sich die Umsetzung von EU-Politiken auf nationaler Ebene, insbesondere im Landnutzungssektor, häufig schwierig.

Laut einer Umfrage des Europäischen Green Deal Barometers gibt es eine Vielzahl von Gründen. Erstens stehen die Ziele der zunehmenden EU-Politiken mit ihrem unterschiedlichen sektoralen Fokus, wie etwa Klimaschutz, Arten- und Gebietsschutz, Renaturierung von Ökosystemen, Ausbau der erneuerbaren Energien oder Nutzung von Biomasse für eine Stärkung der Bioökonomie nicht konfliktfrei nebeneinander. Sektorale Zielkonflikte werden nur in Ausnahmefällen explizit angesprochen und Priorisierungen vermieden. Zweitens gibt es neben den sektoralen Interessenskonflikten Fragen zur Zuständigkeit.

So wurde im Rahmen der Veröffentlichung der Waldstrategie für 2030 von einigen Mitgliedstaaten die Rolle der EU(-Kommission) in der Gestaltung der nationalen Waldpolitik hinterfragt. In diesem Politikfeld gibt es im Gegensatz zur Agrar- und Umweltpolitik keine geteilte Zuständigkeit zwischen EU und den Mitgliedstaaten. Gerade in sensiblen Fragen wie der des Waldmonitorings wird die Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips vom nationalen Standpunkt aus entsprechend angemahnt.

Ein dritter Faktor, der das Engagement auf nationaler Ebene in der Umsetzung einschränken kann, ist die unvollständige Ausgestaltung des Implementierungsdesigns, einschließlich der Frage der Finanzierung und der Bestimmung messbarer Indikatoren für den Erfolg. Dies wird besonders bei der EUDR deutlich, die – obwohl bereits in Kraft getreten – bislang nur wenig darüber verrät, wie im nationalen System die Umsetzung
erfolgen soll und kann. Darüber hinaus gibt es weitere Faktoren, die eine konsequente Umsetzung in den Mitgliedsstaaten behindern, wie bürokratische Hürden, fehlende Ressourcen oder schlicht der politische Wille.

Gefordert, sich einzubringen

Neben der unzureichenden Umsetzung prägen weitere Entwicklungen die Beziehungen zwischen Mitgliedstaaten und EU. So führten Konflikte bei der Landnutzung zu einer Bildung von Koalitionen, die Strukturen der Abgrenzung schaffen und Parteien populistischen Rückenwind für eine antieuropäische Haltung geben. Dabei wird vergessen, dass es in der EU-Mehrebenenpolitik kein klares „Wir“ und „die Anderen“ gibt, da die Zusammenstellung des Parlaments demokratischen Wahlen unterliegt und im Ministerrat Vertreter:innen der Mitgliedsstaaten sitzen. Zudem ist die EU-Kommission dem Parlament gegenüber voll verantwortlich. Wie zu Weihnachten kommt nicht alles Gute von oben, sondern wir – die Mitgliedstaaten und die Akteure, inklusive der Wissenschaft – sind gefordert, sich einzubringen. Damit es keine Danaergeschenke gibt, sondern „Geschenke“, die einen Mehrwert für Wälder in Europa haben.

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